Go West

oder warum investieren deutsche und europäische  Unternehmen immer stärker in den USA?

 Ein Beitrag von Dr. Oliver Prause.

Früher war es der Lockruf des Goldes der die Menschen nach Amerika zog, heute sind es die milliardenschweren Lockangebote des US-Subventionspaketes “Inflation Reduction Act” (IRA), die deutsche Unternehmen dazu verleiten in den USA zu investieren. „Audi, BMW, Schaeffler, Siemens Energy, Aurubis: Die Liste deutscher Unternehmen, die große Investitionen in den USA planen oder bestehende Standorte ausbauen, wird immer länger,“ berichtet die Tagesschau (1).  Großzügige Subventionen locken vor allem Unternehmen mit klimafreundlichen Technologien in die USA. 

Grüne Milliarden die überzeugen
Wie attraktiv die US-Förderung ist, zeigen auch Zahlen, die das Handelsblatt aus Industriekreisen erhalten und bei Experten gegengecheckt hat. Ein neues Batteriewerk für Elektroautos kostet – je nach Größe und Standort – drei bis sieben Milliarden Euro. Bis die Fabriken Gewinne abwerfen, vergehen Jahre. In den USA bekäme eine Firma wie Northvolt dank des IRA in etwa sieben Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrzehnts erstattet. Für das Werk in Heide erhielte Northvolt derzeit von Europa und dem Land Schleswig-Holstein 155,4 Millionen Euro. Diese Summe stand auf einem riesigen Förderbescheid, den Habeck noch im Mai feierlich an den CEO von Northvolt, Lars Carlsson übergab. Carlsson sagte, der Inflation Reduction Act der USA habe eine neue Dynamik ausgelöst. (2)

Lockruf des Geldes
Der Autohersteller BMW erweitert und modernisiert bereits sein Werk Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina. 1,7 Milliarden Euro investiert der Münchner Konzern hier. Konkurrent Volkswagen plant gleich zwei neue Fabriken in Amerika, wie das Manager Magazin schreibt. „Vorstandschef Oliver Blume baut den Konzern weiter um. Ausgerechnet auf dem Misserfolgsmarkt Nordamerika plant er gleich zwei Großinvestitionen und will dort in neuen Werken nicht nur Pick-ups und SUVs produzieren, sondern auch Batteriezellen.“ (3) Angesichts der großzügigen Subventionen für grüne Technologien sei der Bau eines US-Werks “hochattraktiv”, betont auch Audi-Chef Markus Duesmann der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. (4)

Auch der fränkische Auto- und Industriezulieferer Schaeffler wird wohl in den USA investieren und die Möglichkeiten des Investitionsprogrammes der US-Regierung stärker ausloten, wie es Konzernchef Klaus Rosenfeld auf der Bilanz-Pressekonferenz der Schaeffler AG betonte. (5) Schaeffler will sich zwar nicht aus Europa zurückziehen, auch nicht aus Deutschland, „aber die Investitionen gehen vor allem dahin, wo die Zukunfts-Wachstumschancen sind.” Und die liegen aufgrund der Subventionspolitik der Biden-Regierung, den attraktiven Steuergesetzen und nicht zuletzt aufgrund des Freihandelsabkommens zwischen den USA; Mexiko und Kanada (NAFTA) in den Vereinigten Staaten. Der Schaeffler-Chef hofft aber, dass „wir in Europa ein Umdenken erleben, weg von Überregulierung, weg von Verbotskultur hin zu etwas, das den Stärken in Europa Rechnung trägt.“

Es wäre dafür höchste Zeit, denn das US-Subventionspaket zur Förderung klimafreundlicher Technologien entfaltet bereits eine Sogwirkung auf viele deutsche Unternehmen. Laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter 2.400 Betrieben aus allen Branchen, plant bereits jede zehnte Firma eine Produktionsverlagerung in die USA.

Europa – was tun?
Aufgeschreckt vom IRA Programm der USA trafen sich die 27 Regierungschefs der EU im Februar 2023, um über die Lockerung der Beihilferegelungen zu debattieren. Diese ist umstritten, da eine  Änderung der Beihilferegeln finanzstarke Mitgliedsstaaten wie Deutschland besser nutzen könnten als die finanziell weniger gut ausgestatteten Länder. Deshalb hat die EU-Kommisionspräsidentin von der Leyen bereits Anfang Dezember einen Europäischen Souveränitätsfonds gefordert, um wichtige Industrieprojekte zu unterstützen.

Für die Freien Demokraten steht jedoch schon fest, dass ein Subventionswettlauf nicht die Antwort sein darf. „Statt auf immer neue Regulierungen und Fördertöpfe sollte sich die EU darauf konzentrieren, den eigenen Standort attraktiver zu machen, den Binnenmarkt zu stärken und mehr Freihandelsabkommen mit Wertepartnern abzuschließen. Es ist höchste Zeit, die Zeitenwende auch in der Wirtschafts- und Handelspolitik europäisch gemeinsam anzugehen.” (7) Offen bleibt, wie die Attraktivität gesteigert werden soll und wie Handelsabkommen nach dem Scheitern von CETA und TTIP plötzlich erfolgreich verhandelt werden. Erneut besteht die Gefahr, dass sich die EU im politischen Klein-Klein verliert und die heroisch proklamierte Zeitenwende in der Wirtschafts- und Handelspolitik verpasst.

Es besteht jedoch dringender Handlungsbedarf! Der geforderte Souveränitätsfonds könnte also ein geeignetes Vehikel sein. Aber Vorsicht, wenn man die Richtung nicht kennt, kann es ein teurer Freizeitausflug werden. Der Souveränitätsfonds benötigt eine europäische Wirtschafts- und Industriepolitik, um nicht zur finanziellen Gießkanne zu mutieren.

Diese Industriepolitik muss Position beziehen, welche Wirtschaftsbereiche für Europa von vitalem Interesse sind. Hierfür setzt sich das Institut für Produktionserhaltung ein.

 

 

 

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Foto von Frank Mckenna auf unsplash

 

Dr. Oliver Prause

Vorstandsvorsitzender des Instituts für Produktionserhaltung – infpro.