Ordnungspolitik

Ordnungspolitik in Deutschland basiert traditionell auf den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, wie sie von Ludwig Erhard nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurden. Diese Prinzipien zielen darauf ab, einen rechtlichen und institutionellen Rahmen zu schaffen, der Wettbewerb fördert, wirtschaftliche Freiheit gewährleistet und soziale Gerechtigkeit sicherstellt.

Aktuell befindet sich die deutsche Ordnungspolitik in einem Spannungsfeld zwischen traditionellen Ansätzen und neuen Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Klimawandel und Globalisierung. Diese Entwicklungen erfordern eine Anpassung der bestehenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen.

Prof Dr. Stefan Kooths

Worum geht es?

«Ordnungspolitik» – gibt es einen langweiligeren Begriff als diesen? Aber aufgepasst, der erste Eindruck kann täuschen.

Ordnung in der Wirtschaftspolitik gibt es nur da, wo auch Ordnung im Denken herrscht. Und Denken meint zunächst die Kunst des Unterscheidens. Wo entsteht spontan Ordnung, und wo bedarf es der ordnenden Hand des Staates? Diese beiden Fragen zu trennen, darin besteht das Geheimnis einer Ordnungspolitik, die ihren Namen verdient.

Wer Volkswirtschaftslehre studiert, wird bereits in den ersten Semestern damit konfrontiert: jedes Wettbewerbsgleichgewicht ist effizient, und jede effiziente Verteilung kann durch Wettbewerb erreicht werden. Das sind starke Befunde – natürlich zugespitzt, aber in der zugespitzten Form umso wichtiger. Für diese bahnbrechenden Erkenntnisse wurden den Ökonomen Kenneth Arrow 1972 und Gérard Debreu 1983 denn auch der Nobelpreis verliehen, basierend auf entscheidenden Vorarbeiten des Lausanner Ökonomen Léon Walras.

Warum es zählt?
Warum sind diese Erkenntnisse so fundamental? Weil sich damit die gesellschaftlichen Hauptfragen der Effizienz und der Verteilungsgerechtigkeit voneinander trennen lassen. Oder pointiert ausgedrückt: weil damit gezeigt wird, dass man weder die Marktwirtschaft abschaffen, noch politisch motivierte Preiseingriffe zulassen sollte, um Einkommensgerechtigkeit zu erreichen. Ganz im Gegenteil – ohne ein vernünftiges Mass an Wettbewerb ist auch Gerechtigkeit nicht möglich! Ein ganzer Rattenschwanz von Ungerechtigkeiten ist die Folge wahlloser Markteingriffe genauso wie die Verschwendung allgemeiner Steuermittel. Das darf man nicht ignorieren.

Quelle:IWP

Prof Dr. Stefan Kooths

Außer Betrieb: Ordnungspolitischer Kompass

„Unter dem Deckmantel der Krisenbewältigung werden bestehende ordnungspolitische Missstände verschärft. Laut Ökonom Stefan Kooths muss der fehlgeleitete deutsche und europäische Interventionismus einer stabilisierenden, zukunftsfähigen Ordnungspolitik weichen, um unseren Wohlstand zu sichern. Dazu bedürfe es – anstelle eines fortgesetzten Aussitzens – stringenter Entscheidungen auf EU-Ebene und einer klaren (De-)Priorisierung staatlicher Aufgaben in Deutschland.“

„Das ordnungspolitische Grundproblem der Politik lässt sich als Gulliver-Syndrom beschreiben. Gulliver wurde nicht von einem einzigen Faden am Boden gehalten, sondern von einem ganzen Geflecht. Ähnlich verhält es sich mit dem Einfluss des Staates auf das Wirtschaftsgeschehen – sowohl mit Blick auf die Regulierungsdichte wie auf die Staatsausgaben. Es ist nie eine einzelne Regulierung oder ein einzelnes Ausgabenvorhaben, wodurch die wirtschaftliche Dynamik leidet, sondern es ist die Summe solcher Maßnahmen, deren schiere Quantität die Qualität der Wirtschaftsordnung angreift.“

 

Ordnungspolitischer Kompass von Prof. Dr. Stefan Kooths
Wie Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder in die Spur finden. Prof. Dr. Stefan Kooths , Kiel Institute for the World Economy (IfW Kiel) Research Director Business Cycles and Growth

Ein zentraler Aspekt der aktuellen Debatte ist die Rolle der Digitalisierung und der Einsatz neuer Technologien. Unternehmen und politische Akteure müssen sicherstellen, dass die technologische Transformation mit den Prinzipien der Ordnungspolitik in Einklang steht. Dies beinhaltet die Schaffung von Regelungen, die Innovationskraft fördern und gleichzeitig den Schutz persönlicher Daten und die Wahrung der Wettbewerbsgerechtigkeit gewährleisten.

Laut einer Analyse des Handelsblatt Research Institute sind deutsche Unternehmen zwar technologisch fortschrittlich, hinken jedoch bei der Umsetzung digitaler Innovationen oft hinterher. Hier besteht Handlungsbedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern​ (Handelsblatt Research Institute)​​ (Handelsblatt Live)​.

Nachhaltigkeit und Klimapolitik
Ein weiterer wichtiger Bereich der Ordnungspolitik ist die Klimapolitik. Deutschland strebt an, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dies erfordert umfangreiche Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen, die Förderung erneuerbarer Energien und die Transformation von Schlüsselindustrien.

Auf dem Banken-Gipfel 2024 wurde betont, dass die Finanzbranche eine zentrale Rolle bei der Finanzierung nachhaltiger Projekte spielt. Eine nachhaltige Ordnungspolitik muss daher auch wirtschaftliche Anreize setzen, um Investitionen in grüne Technologien zu fördern und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu unterstützen​ (Handelsblatt Live)​​ (Handelsblatt Live)​.

Soziale Gerechtigkeit und Arbeitsmarkt
Die soziale Dimension der Ordnungspolitik bleibt ebenfalls von großer Bedeutung. Themen wie Mindestlohn, Arbeitsbedingungen und soziale Sicherungssysteme stehen weiterhin im Fokus. Angesichts des demografischen Wandels und der zunehmenden Digitalisierung müssen neue Konzepte entwickelt werden, um die soziale Absicherung der Arbeitnehmer zu gewährleisten und gleichzeitig flexible Arbeitsmodelle zu fördern.

Fazit

Deutschland steht beim Thema Ordnungspolitik vor komplexen Herausforderungen, die eine Balance zwischen traditionellen Prinzipien und modernen Anforderungen erfordern. Es gilt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Innovation und Nachhaltigkeit fördern, ohne die sozialen und wirtschaftlichen Grundpfeiler zu gefährden. Die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist dabei entscheidend, um zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu sichern.