Produktion

 „Es ist eine Illusion zu hoffen, mit Staatsgeld durch die Energiekrise zu kommen und dann in den alten Strukturen weiterzumachen“,  sagt BASF Chef Martin Brudermüller im Handelsblatt. “Wenn Deutschland nicht gegensteuert, flieht die Industrie ins Ausland.” Der BASF Chef fürchtet um Europas Wettbewerbsfähigkeit.  Die Debatte über eine zu weitgehende Abhängigkeit von China und das Taiwanrisiko darf nicht davon ablenken, dass Europa als Standort an Attraktivität kontinuierlich verliert, und das nicht nur gegenüber China, sondern auch im Vergleich mit den USA und dem Mittleren Osten.

Deutschland ist einmal als Wirtschaftsstandort attraktiv gewesen; doch viele Unternehmen sind bereit, ihre Koffer zu packen und ihre Produktion zunehmend in die USA zu verlagern. Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ergab: Als Investitionsziel sind die USA von allen Ländern der Welt am attraktivsten.

Befragt wurden 3.100 deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig sind. Rund 62 Prozent der befragten Unternehmen bewerteten die aktuelle Geschäftslage in Nordamerika positiv. Knapp 39 Prozent von ihnen gab an, in den nächsten Monaten höhere Investitionen in den USA tätigen zu wollen. Lediglich 17 Prozent wollen sie verringern. In der Eurozone will dagegen nur etwa ein Drittel der Unternehmen investieren. Mehr als die Hälfte gab an, hier mit einem wirtschaftlichen Abschwung zu rechnen.

Quelle: DIHK

Henrik Ahlers, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung in Deutschland macht sich vor allem um den Standort Deutschland Sorgen. “Für energieintensive Branchen entwickeln sich die Strom- und Gaspreise zur Existenzfrage. Großunternehmen können Produktion ins Ausland verlagern, kleine Mittelständler häufig nicht, ihnen droht das Aus.”

Nach einer Analyse des Informationsdienstleisters Crif stehen in Deutschland immer mehr Unternehmen mit dem Rücken zur Wand. Mehr als 300.000 Firmen hätten derzeit finanzielle Probleme, stellte Crif jüngst in einer Auswertung von Daten zu knapp drei Millionen Unternehmen fest. Im Vergleich zum März 2022 habe sich die Zahl der Pleitekandidaten im November um 15,6 Prozent erhöht.

Quelle: SZ 

Die aktuelle DIHK-Konjunkturumfrage zeigt, dass in der deutschen Kfz-Zulieferindustrie jedes fünfte Unternehmen insbesondere wegen der in Deutschland besonders gestiegenen Energiepreise plane, Produktion im Ausland aufzubauen. “Die Höhe der Energiepreise wird damit zu einem entscheidenden Standortfaktor”, stellt der DIHK-Außenwirtschaftschef fest: “Während laut AHK World Business Outlook in der Eurozone 57 Prozent der Unternehmen in hohen Energiepreisen ein Geschäftsrisiko sehen, sind es in den USA lediglich 22 Prozent.”

Ein weiterer wichtiger Pluspunkt der USA: Der Ausbau von Wertschöpfung wird laut Treier “in den Vereinigten Staaten derzeit in hohem Maße begünstigt – zum Teil auch in diskriminierender Art und Weise”: Zu den Instrumenten einer “eindeutigen Industriepolitik” gehörten der Inflation Reduction Act mit Beihilfen zum Vorteil von Wertschöpfung in den USA, die großen Infrastrukturprogramme auch zur Elektrifizierung der USA sowie der Chips-Act.

 

Quelle: DIHK

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wird im Deutschlandfunk mit den Worten zitiert: „Ohne China wird Deutschland zusätzlich ärmer werden.“ Doch es gibt auch Unternehmer wie Wolf Matthias Mang, selbst Familienunternehmer und hessischer Unternehmerpräsident, der das Thema treffend auf den Punkt bringt: „Es gibt ja nicht nur China, Russland und die USA, sondern viele weitere interessante Länder. Globalisierung neu gestalten heißt, hier wieder kreativer zu werden“. Doch allzu kreativ ist die Suche derzeit eher nicht. Denn welche echten Alternativen bieten sich zu China an. Wohin können Produktionsstandorte und Supply Chains mal schnell verlegt werden?

Zugegeben, die wirtschaftliche Lage ist für viele Unternehmen gerade schwierig. Und ja, es gibt auch Unternehmen, die darüber Nachdenken ins Ausland zu gehen. Zu Recht, denn angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation, der hohen Inflation und einer möglichen Rezession müssen alle Optionen auf den Tisch und geprüft werden. Bleiben oder Gehen? Das ist die Frage, die sich auch die SZ in dem Beitrag „Warum Abwandern aus Deutschland der falsche Weg wäre“ gestellt hat. „Wohin soll die Produktion verlagert werden?“ Die Antwort fällt ernüchternd aus: „In fast allen Ländern Europas sind die Probleme ähnlich, auch dort ist Energie zuletzt deutlich teurer geworden. Dafür ist die politische Lage manchmal deutlich volatiler, wie sich derzeit in Italien oder in Großbritannien zeigt. Produktionsverlagerungen nach China sind auch problematisch, will die deutsche und europäische Wirtschaft die Abhängigkeit doch eher reduzieren. Also wohin überhaupt gehen?

Lesen Sie dazu den Beitrag der infpro Experten Andreas Lugert und Lothar Dörr auf unserem Blog: Quo vaditis Produktion?

“Unternehmen fahren Fertigung in Deutschland zurück”

Die Ergebnisse seien ein Alarmsignal, sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik gegenüber dem ZDF. Es gebe seit einiger Zeit eine schleichende Verlagerung industrieller Wertschöpfung. “Diese fatale Entwicklung am Standort Deutschland beschleunigt sich.” Die Unternehmen fahren die Fertigung in Deutschland zurück oder verlagern ihre Produktion dorthin, wo Energiekosten, Steuern und Bürokratielasten niedriger sind.

Laut Umfrage planen neun Prozent der Unternehmen, Betriebsstätten ins Ausland zu verlagern. Vor einem halben Jahr waren es sechs Prozent.

Weiterführende Links

Der Industriestandort Deutschland verliert den Anschluss

Geopolitische Spannungen, Protektionismus, die Covid-19-Pandemie, der Ukraine-Krieg, Energiekrise und Rohstoffknappheit haben gezeigt, wie abhängig Deutschland geworden ist. „Das Münchner ifo-Institut rechnet mit vorübergehenden Produktionseinstellungen sowie damit, dass (große) deutsche Unternehmen ihre Produktion langfristig ins Ausland verlagern werden. Auch die internationale Presse, so etwa das News-Portal Bloomberg, sieht Deutschland einem „factory exodus“ entgegenstreben. Wie der Focus berichtet, locken unter anderem die USA mit günstigem Atomstrom deutsche Firmen an. Gleichzeitig ziehen sich ausländische Investoren zunehmend aus dem „Hochsteuerland“ zurück.

Deutschlands Abhängigkeit von Rohstoffen

„Man habe die Rolle der Rohstoffsicherheit in den letzten Jahren so sehr vernachlässigt, dass man „den Stiefmüttern unrecht tun würde, wenn man stiefmütterlich sagen würde“, zitiert die BILD Wirtschaftsminister Habeck auf dem BDI Rohstoff-Kongress in Berlin am 20. Oktober diesen Jahres.

“Deutschland hat sich so effizient wie kaum ein anderes Land die Vorteile internationaler Arbeitsteilung zunutze gemacht und überall dort eingekauft, wo es vor allem billig ist. Einzig und allein der Preis bestimmte, woher welche Rohstoffe, Vor- und Endprodukte oder Dienstleistungen bezogen wurden, weitgehend auf Basis des einzelwirtschaftlichen Kalküls eines jeden Unternehmens.” FAZ vom 13. Oktober 2022