Meinungen 

Hier veröffentlichen wir ausgesuchte Kommentare, Ansichten und Statements von Persönlichkeiten, die sich zu Themen äußern, mit denen sich auch das Institut beschäftigt.

 

Anne O. Krueger zu "Chips and Science Act" und "US Inflation Reduction Act"

Finanz und Wirtschaft Beitrag vom 30.12.2022

Schlafwandelnd in einen globalen Handelskrieg

Amerikas Protektionismus birgt die Gefahr, einen breiteren Handelskrieg auszulösen. Andere Regierungen stehen unter Druck, die Chipproduktion als Reaktion auf Washingtons Massnahmen zu subventionieren.

Von Anne O. Krueger. Anne O. Krueger ist Senior Research Professor of International Economics an der Johns Hopkins University School of Advanced International Studies und Senior Fellow am Center for International Development der Stanford University. Copyright: Project Syndicate.

Die Welt befindet sich in einer Megakrise, die sich aus der Covid-Pandemie, Russlands Krieg in der Ukraine, hoher Inflation, Rezessionsängsten und zunehmender Verschuldung in Schwellen- und Entwicklungsländern zusammensetzt. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine weitere Quelle für wirtschaftlichen Schaden. Aber genau das könnten wir bekommen, in Form eines weiteren zerstörerischen Handelskriegs.

Handelskriege sind äusserst schädlich, weil die beteiligten Länder dazu neigen, Vergeltung zu üben, indem sie immer höhere Handelsschranken errichten. Dieser Teufelskreis wurde für die starke Verlängerung der Weltwirtschaftskrise in den Dreissigerjahren verantwortlich gemacht. Deshalb waren die USA nach 1945 führend in der Entwicklung eines neuen Welthandelssystems, das die Grundlage für die erfolgreichste Periode des globalen Wirtschaftswachstums in der Geschichte bildete. Siebzig Jahre lang wurde der Welthandel durch die Rechtsstaatlichkeit gestützt, wobei eine internationale Organisation – das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, das von der Welthandels-organisation WTO abgelöst wurde – die unparteiische Beilegung von Streitigkeiten sicherstellte.

Doch 2017 hat die Regierung von Donald Trump der WTO die Unterstützung der USA entzogen und einen Handelskrieg mit China begonnen. Sie verhängte nicht nur diskriminierende Zölle auf Einfuhren, sondern auch weitreichendere Abgaben auf Waren wie Stahl und Aluminium, wobei sie sich zweifelhaft auf «Bedenken wegen der nationalen Sicherheit» berief. Obwohl die meisten Handelsjuristen der Meinung waren, dass diese Massnahmen nach den WTO-Regeln rechtswidrig sind, verzichteten die US-Handelspartner auf Vergeltungsmassnahmen in der Hoffnung, dass die nächste Regierung Trumps protektionistische Politik zurückdrehen würde…..

Sowohl der IRA als auch das Chips-Gesetz sind offen protektionistisch und diskriminierend. Beide verstossen gegen Vereinbarungen, die die USA in mehreren Runden multilateraler Zollsenkungsverhandlungen getroffen haben. So sieht der IRA beispielsweise eine Subvention in Höhe von 7500 $ für heimische Käufer von Elektrofahrzeugen vor, sofern diese in Amerika hergestellt wurden und überwiegend aus amerikanischen Teilen bestehen (und diese Komponenten müssen Batterien enthalten, die 40% der Kosten von Elektrofahrzeugen ausmachen). In ähnlicher Weise stellt das Chips-Gesetz 52 Mrd. $ für die Finanzierung von Investitionen in «Fabs» (Chipfabriken) bereit, die von privaten Unternehmen in den USA gebaut werden.

Es ist zu bezweifeln, dass die Subventionierung von Elektrofahrzeugen, die im Ausland hergestellte Autos (sowie Batterien und andere Autokomponenten) aus der EU, dem Vereinigten Königreich, Japan und Südkorea stark benachteiligt, gerechtfertigt ist. Es ist zudem unwahrscheinlich, dass sie den beabsichtigten Zweck («Schaffung guter Arbeitsplätze» und eine schnellere Abkehr vom Verbrennungsmotor) erfüllen wird

Handelsblatt vom 3.01.2023 

Die USA subventionieren sich bei Chips an die Weltspitze

Mit großem Erfolg lockt die Regierung Biden die Schlüsselbranche nach Amerika. In Europa geraten Politik und Industrie unter Zugzwang.

„Die USA liegen ganz klar vorn, Europa hechelt hinterher“, sagte Gunther Kegel, Präsident des deutschen Branchenverbands ZVEI, dem Handelsblatt. Die Vorliebe der Chipindustrie für die USA hat handfeste Gründe. Amerika hat im Sommer 52,7 Milliarden Dollar an staatlicher Unterstützung für die Industrie bereitgestellt. Europa dagegen debattiert noch immer über mögliche Unterstützung.

„Wir müssen aufpassen in Europa, dass wir nicht zum Industriemuseum werden“, warnt Jan-Hinnerk Mohr, Halbleiterexperte der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG). Denn Amerika wird seinen Anteil an der Weltchipproduktion angesichts der hohen Investitionen Mitte des Jahrzehnts vermutlich stark steigern.

Handelsblatt vom 3.01.2023

Elektronikverband kritisiert mageren Fortschritt der europäischen Chip-Aufholjagd

Europa braucht ZVEI-Präsident Kegel zufolge fünf Mal so viele Fabriken wie bisher, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Noch sei nicht einmal ein Anfang gemacht.

Die Industrie verliert den Glauben, dass Europas Aufholjagd bei den Chips noch gelingt. „Wenn wir das Ziel der EU von 20 Prozent Weltmarktanteil im Jahr 2030 erreichen wollen, müssen wir die Produktionskapazitäten verfünffachen“, sagte Gunther Kegel, Präsident des Branchenverbands ZVEI, dem Handelsblatt. „Es braucht schon viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie wir das schaffen könnten.“

Der ZVEI vertritt die Interessen der Elektronik- und Digitalindustrie in Deutschland, große Chipkonzerne wie Infineon, NXP oder Bosch sind Mitglieder des Verbands. Präsident Kegel ist auch Chef des Mannheimer Sensorherstellers Pepperl und Fuchs und mit dem Geschäft vertraut.

Thierry Bretons zum Inflation Reduction Act -IRA - der USA

Handelsblatt Interview vom 3.11.2022


„Die USA eröffnen faktisch ein Subventions-Rennen“ – EU-Kommissar wettert gegen Washington. 
Binnenmarktkommissar Thierry Breton wirft Amerika vor, den Wettbewerb zu verzerren. Gerade die Autobranche sei betroffen. Ein runder Tisch soll Lösungen finden.

“Der IRA beinhaltet massive Investitionsanreize für grüne Wirtschaftssektoren, die USA eröffnen faktisch ein Subventionsrennen und diskriminieren womöglich europäische Anbieter. Das Ergebnis könnte sein, dass Unternehmen bedeutende Teile ihrer Lieferketten nach Amerika verlegen.”

Um welche Sektoren sorgen Sie sich?

“Es geht um die Batteriefertigung, die Autoindustrie, aber auch Wind- und Solarkraft. Die Subventionen der Amerikaner sorgen für eine Wettbewerbsverzerrung.”

Einige Ökonomen fürchten indes die Deindustrialisierung Europas. Als besonders gefährdet gilt die Autobranche. Teilen Sie diese Einschätzung?

“Wir stehen vor einer gewaltigen industriellen Transformation, vielleicht die größte der Geschichte. Ich werde daher einen runden Tisch einrichten, der alle zusammenbringt: die großen Autohersteller, den Mittelstand, Verbraucherorganisationen, Batterieproduzenten und Stromanbieter. Darin werden wir spezifische Erfolgsmarken festlegen. Etwa für die Abdeckung mit Ladestationen für E-Autos, die Vergrößerung des Stromangebots und die Rohstoffversorgung.”

Meinungen zum European Chips Act

EU Chips Act

Der “EU Chips Act” soll Europa in der Fertigung hochmoderner Halbleiter zurück in die Weltspitze bringen. Der Anteil am Weltmarkt soll bis 2030 auf 20 Prozent steigen. Das wäre eine Vervierfachung der Produktion. Der Chips Act ist also nicht primär eine Antwort auf die Lieferkettenprobleme nach der Corona-Krise. Dafür käme er auch zu spät.

Der Bau einer Chip-Fabrik dauert drei bis fünf Jahre. Vorbild ist der “US Chips Act”. Deshalb war es der Kommission wichtig, mit 43 Milliarden Euro eine ähnlich Fördersumme vorzuweisen. Anders als in den USA ist das aber kaum frisches Geld. Der Chips Act – über den nun Europaparlament und EU-Staaten beraten – ruht auf drei Säulen. Die erste Säule soll die Forschung und ihre industrielle Nutzung fördern. Dafür sind 11 Milliarden Euro reserviert. Die dritte Säule soll Lieferengpässe verhindern. Die Kommission will dafür Märkte genauer überwachen und im Extremfall die direkt in die Produktion eingreifen.

Die größte Aufmerksamkeit hat die zweite Säule hervorgerufen, die Investitionen anziehen und die Produktion in der EU ausweiten soll – mit besonderem, aber nicht exklusivem Fokus auf Chips sehr kleiner Strukturgrößen. Das richtet sich sowohl an Auftragsfertiger als auch an Fabriken, in denen Konzerne Chips für den Eigenbedarf fertigen wie eben das Intel-Werk in Magdeburg. Sie sollen, so sie “einmalig in Europa” sind, von schnellen Genehmigungsverfahren profitieren. Vor allem aber können die EU-Staaten sie großzügig subventionieren und bis zu 100 Prozent der Finanzierungslücke übernehmen. Das war für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg entscheidend. Letzteres ist innerhalb der Kommission durchaus umstritten. Kritiker warnen vor einem globalen Subventionswettlauf. hmk.

Quelle: FAZ

BDI POSITION | HALBLEITER Vergleich und Erfahrungen US vs. EU Chips Act

Der US Chips Act und der European Chips Act haben sehr ähnliche Ziele – die Stärkung des heimischen Halbleitersektors. Die Wichtigkeit von Halbleitern als Fundament für eine erfolgreiche industrielle Zukunft wurde erkannt – ein Thema mit geopolitischer und strategischer Dimension. Ist der EU Chips Act jedoch im Vergleich zum US Chips Act in seiner Ausgestaltung stark genug, damit Europa als Industriestandort im internationalen Vergleich mithalten kann?

Im Rahmen dieses Papiers vergleicht der BDI den EU und den US Chips Act direkt miteinander und leitet Erfahrungen und Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung und die EU-Kommission ab. Hierbei interessiert insbesondere die Fragestellungen: Welche Lehren kann man aus dem US Chips Act für den EU Chips Act ziehen? 

Quelle: BDI Publikatiomnen

The European Chips Act will not...

…….. restore the continent’s semiconductor industry to its former glory

High costs and highly complex supply chains make even the goal of semiconductor self-sufficiency unlikely.

Europa war einst das weltweite Kraftzentrum für die Herstellung von Halbleitern. Mit einem Anteil von 44 % am Gesamtmarkt für Chips schienen das Know-how und die Fertigungskapazitäten des Kontinents unangreifbar zu sein – bis die Hersteller Mitte der 2000er Jahre begannen, ihre Lieferketten auf der Suche nach besseren Investitionsmöglichkeiten und niedrigeren Arbeitskosten nach Ostasien zu verlagern.
Das könnte sich nun ändern. Anfang dieser Woche einigten sich die EU-Mitgliedstaaten auf einen neuen 45-Milliarden-Euro-Aktionsplan, den so genannten European Chips Act, mit dem eine Ausweitung der Mikroprozessorproduktion in der EU finanziert und die Abhängigkeit des Kontinents von amerikanischen und asiatischen Herstellern verringert werden soll. Ziel ist es, so die Europäische Kommission, “die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit Europas im Bereich der Halbleitertechnologien und -anwendungen zu stärken und sowohl den digitalen als auch den grünen Wandel zu unterstützen”.

Quelle:Techmonitor

Das Bayerische Halbleiter Bündnis

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) möchte die Chip-Industrie stärken und hat ein bayerisches „Halbleiter-Bündnis“ ins Leben gerufen – eine Art Netzwerk, in dem Politik, Wirtschaft und Forschung gemeinsam an Ideen tüfteln. „Bayern hat das Potenzial, einer der führenden Chip-Standorte zu werden“, sagte Aiwanger unserer Zeitung. „Unser Vorteil ist schon heute die Kombination aus Spitzenforschung und starker Industrie.“ Dazu kämen Top-Unis wie die Technische Universität München oder Apple als führendes Unternehmen mit Standort in München. Das Ziel sei eine Stärkung der Chip-Souveränität in Bayern, Deutschland und Europa. „Eine Autarkie wird es nicht geben können.“ Daher seien enge Beziehungen mit den USA und auch Asien notwendig. Sollte Taiwans Chip-Gigant TSMC ernsthaft erwägen, sich in Europa anzusiedeln, würde er „aktiv für den Standort Bayern werben“.

Quelle: Münchner Merkur

Kritik an zu langsamer Förderpolitik

Der Bereich Mikroelektronik und Chipproduktion gehört zu den wichtigen, europäischen Projekten. Nach Einschätzung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums werden entsprechende Förderungen in Brüssel aber viel zu langsam abgewickelt. Anträge aus Bayern und Deutschland würden vor allem aufgrund von Personalmangel nicht schnell bearbeitet. Hubert Aiwanger: “Bei uns brennt die Hütte und in Brüssel hat man zu wenig Personal, um die Zettel auszufüllen.” Europa müsse bei den Förderungen mehr aufs Tempo achten, so der bayerische Wirtschaftsminister.

Quelle: BR

 

China, USA und die EU im Wettlauf um die Spitzen-Chips

Von Felix Lee.

Zwei Drittel der weltweiten Chips kommt derzeit aus Ostasien. Das soll sich nach dem Willen der Europäer und der US-Amerikaner ändern. Beide haben gigantische Förderprogramme verabschiedet, um die jeweilige Halbleiter-Industrie zu fördern. China schiebt sich derweil unauffällig nach vorn.

Sie sind die Herzstücke moderner Industrieprodukte. Wer ihre Produktion beherrscht, entscheidet darüber, wer bei Zukunftstechnologien die Nase vorn hat: Halbleiter-Bauteile, im Jargon auch besser bekannt als Mikrochips. Deswegen setzen China, die USA und die EU derzeit alles daran, ihre technologische Position zu stärken.

Dieser Artikel liegt Capital.de im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 3. August 2022

Quelle: Capital

 

 

After the CHIPS Act

The Limits of Reshoring and Next Steps for U.S. Semiconductor

Policy VISHNU KANNAN, JACOB FELDGOISE
NOVEMBER 22, 2022

Quelle: Carnegie

Download Report Kannan/Feldgois

 

Katherine Tai und ihr Verständis der Globalisierung

Das vollständige Interview hat das Handelsblatt am 19.09. unter dem Titel: “Absage an Lindner: US-Handelsbeauftragte gegen neues Freihandelsabkommen.” veröffentlicht.  Katherine Tai definiert Globalisierung anders als ihre Vorgänger. „Mehr Handel ist nicht notwendigerweise besser für alle“, sagt sie im Interview.

 

Frau Tai, der Welthandel geht zurück. Sind wir in eine Ära der Deglobalisierung eingetreten?

Nein, ganz bestimmt nicht. Was mir an dem Begriff Deglobalisierung nicht gefällt, ist, dass er wie eine Ablehnung des Vernetztseins klingt oder wie eine Ablehnung des Handels. Das ist sicherlich nicht die Sichtweise in den USA. Wir befinden uns vielmehr in einer Ära einer Überarbeitung von Globalisierung, einer Evolution von Globalisierung.

Was meinen Sie damit?

Oft wird uns eine falsche Gegensätzlichkeit präsentiert, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: die Globalisierung, die wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben, oder gar keine Globalisierung. Ich denke, das ist eine falsche Wahl. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass es im Laufe der Geschichte sehr viele verschiedene Versionen von Globalisierung gegeben hat. Was wir heute erleben, ist eine Weiterentwicklung der Globalisierung, die wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben, in eine neue Form, die den Schwerpunkt auf Widerstandsfähigkeit und nicht nur auf Effizienz legt. Ich glaube nicht, dass es angemessen ist, dies als Deglobalisierung zu bezeichnen. Es ist hoffentlich ein Fortschritt in der globalisierten Wirtschaft.

 

„Die Version der Globalisierung, die wir zu entwickeln versuchen, räumt auf mit der Idee, dass mehr Handel notwendigerweise besser für alle ist. Ich denke, wir arbeiten an der Qualität und der Widerstandsfähigkeit unseres Handels, nicht nur an der Quantität.

 

Was den Handel zwischen den USA und der Europäischen Union betrifft, hatten und haben wir sehr solide Handels- und Investitionsbeziehungen. Wir arbeiten meiner Ansicht nach im G7-Kontext und auch bilateral im Handels- und Technologierat (TTC) daran, wie wir die Qualität des Handels und der Investitionen, die wir untereinander tätigen, verbessern können, wie wir die Zusammenarbeit und die Koordination verbessern können, um den Markt des jeweils anderen wirtschaftlich zu erschließen.“