Minister Habecks “Bridge over Troubled Water”

oder warum Deutschland und Europa dringend eine abgestimmte Industriepolitik benötigen.

 Ein Beitrag von Dr. Oliver Prause.

Vielleicht hat sich Wirtschaftsminister Robert Habeck während seines Flugs in die USA die wundervolle Ballade von Simon & Garfunkel „Bridge over Troubled Water“ von 1970 in Ruhe angehört. „Oh, when times get rough, and friends just can’t be found. Like a bridge over troubled water, I will lay me down.” Die Medien berichten, dass Klimaminister Habeck eine „grüne Brücke über den Atlantik“ schlagen will. Deswegen ist er zusammen mit dem französischen Wirtschaftsminister in die USA geflogen, um mit der amerikanischen Administration über den “Inflation Reduction Act“ (IRA), zu reden. Es ist „das Programm zur Begrenzung der Erderwärmung, das Klimaschützer rund um den Globus jahrelang von der größten Wirtschaftsmacht der Welt gefordert haben,“ schreibt die Süddeutsche Zeitung. Damit Schwung in den Klimaschutz kommt, ist dieses Programm mit 369 Milliarden Dollar ausgestattet.

In Europa sitzt der Schock über den IRA tief. Viele Subventionen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass profitierende Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. Das aber löst in der EU Sorge vor Wettbewerbsnachteilen aus. Nicht wenige Politiker in der EU fürchten, dass subventionshungrige Unternehmen in großem Stil Investitionen in die USA umleiten könnten.

Amerika vs. Europa

Die beiden europäischen Minister muss entweder der Mut der Verzweiflung getrieben haben oder die Hoffnung, dass allein die freundschaftlichen Bande, die Amerikaner zu Zugeständnissen bewegen würde. Neben dem Klimaschutz zwingt die wirtschaftliche Situation die USA zum Handeln. Während die deutsche Volkswirtschaft mit einen Leistungsbilanz­überschuss von 168,74 Milliarden US-Dollar in 2022 auf der Sonnenseite steht, steht die USA mit einem Leistungsbilanzdefizit von rund 985,3 Milliarden US-Dollar im wirtschaftlichen Schatten. [1] Das Defizit wird seit Jahren mit US Staatsanleihen finanziert. Wie das US-Finanzministeriums im Mai 2022 mitteilte, ist ausgerechnet das viel kritisierte China mit rund 980 Milliarden Dollar der größte Gläubiger. [2] Zudem verringert die chinesische Regierung systematisch ihren Bestand an US-Staatsanleihen, das den US-Dollar negativ beeinflussen kann. Somit zwei gewichtige Argument für den IRA, um die Produktion in den USA zu stärken, das Handelsungleichgewicht zu reduzieren und Schulden abzubauen.

Minister Habeck rechnet mit Zugeständnissen der Amerikaner, um in bestimmten Sektoren eine nahezu gleiche Behandlung der Europäer im Vergleich zu den US-Nachbarn Kanada und Mexiko zu erreichen. Zur besseren Einordnung lohnt sich ein Blick auf die wichtigsten Importländer der USA im Jahr 2021. China ist mit einem Importanteil von 18,5 % Spitzenreiter, gefolgt von Mexiko mit 13,2 % und Kanada mit 12,4 %. Demgegenüber liegt Deutschland lediglich bei 4,7 %. [3] Mit Blick auf diese wirtschaftlichen Relationen braucht es viel Phantasie, dass Deutschland die gleichen Handelsvergünstigungen wie Mexiko und Kanada erhält. Ein gewichtigeres Pfund wäre es, wenn man die Importe der gesamten EU in die Waagschale werfen würde. Dies setzt jedoch Einigkeit innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten voraus.

Manche sehen in den Subventionen des IRA gar einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Die Erfahrungen beweist, dass diesseits und jenseits des großen Teichs wirtschaftliche Interessen im Zweifel über den WTO Regeln stehen. So waren die von der Trump-Regierung 2018 eingeführten Strafzölle auf Stahl und Aluminium nach einer Entscheidung der WTO regelwidrig. Bislang hat die aktuelle US-Regierung die Zölle nicht zurück genommen. [4] Die FAZ teilt am 3. Oktober 2019 mit, dass die WTO die EU-Subventionen für den Flugzeughersteller Airbus für illegal erachtet und es der amerikanischen Regierung erlaubt, Zölle auf EU-Importe im Warenwert von 7,5 Milliarden Dollar zu verhängen. [5] Die nun vom Wirtschaftsministers Habeck angemahnte Einhaltung der WTO Regeln für den IRA kann man nur mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen.

Die Lieferkette beginnt in Amerika

Bei seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstagabend machte Biden klar worum es ihm geht: “Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt. Die Lieferkette beginnt in Amerika.” [6] So kündigte er an, dass Baumaterialien für vom Bund geförderte Infrastrukturprojekte – etwa Kupfer, Aluminium, Glasfaserkabel, Bauholz und Trocken­bauwände – nach dem Prinzip “Made in America” in den USA hergestellt werden müssten, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt.  „Unter meiner Aufsicht werden amerikanische Straßen, Brücken und Autobahnen mit amerikanischen Produkten gebaut”, sagte Biden.[7]

Eine gemeinsame Industriepolitik ist zwingend notwendig

Eingedenk der genannten Fakten war die Mission „Habeck und Le Maire“ bereits vor der USA Reise eine „Mission Impossible“. Beide warben für eine europafreundliche Anwendung des Gesetzes. Erreicht haben sie nach eigenen Angaben vor allem Zusagen für mehr Transparenz über das Ausmaß staatlicher Unterstützung in den USA. konkreten Zusagen zum künftigen Marktzugang für europäische Firmen in Washington. [8] Man darf vermuten, dass der „amerikanische Freund“ der hiesigen Wirtschaft nicht entgegenkommen wird. Spätestens jetzt sollte allmählich die Einsicht reifen, dass in Deutschland und in der EU eine abgestimmte Industriepolitik vonnöten ist, die unsere gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund rücken.

 

 Quellen

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/982722/umfrage/prognostizierter-leistungsbilanzsaldo-der-wichtigsten-industrie-und-schwellenlaendern/#:~:text=Am%20anderen%20Ende%20stehen%20die,2027%20in%20Milliarden%20US%2DDollar.

[2] https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/520946/Gegen-den-Dollar-China-stoesst-in-grossem-Stil-US-Staatsanleihen-ab

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/165923/umfrage/wichtigste-importlaender-der-usa/#:~:text=Das%20wichtigste%20Importland%20der%20USA,der%20USA%20im%20Jahr%202021.

[4] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/wto-usa-zoelle-stahl-101.html

[5] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-handelsstreit/wto-kommentar-die-airbus-subventionen-waren-notwendig-16415456.html

[6] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handel-habeck-wirbt-in-usa-um-besseren-marktzugang-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230208-99-512786

[7] https://www.sueddeutsche.de/politik/regierung-rede-zur-lage-der-nation-biden-wirbt-fuer-made-in-america-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230207-99-511921

[8] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handel-habeck-wirbt-in-usa-um-besseren-marktzugang-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230208-99-512786

 

 

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Dr. Oliver Prause

Vorstandsvorsitzender des Instituts für Produktionserhaltung – infpro.