Die Abhängigkeit zu China steigt.

 Ein Beitrag von Dr. Oliver Prause

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die sechs Ministerien, die den Deal zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited bislang abgelehnt hatten, ihren Widerstand aufgegeben und sich auf einen Kompromiss geeinigt. „So wird die Bundesregierung eine so genannte Teilversagung beschließen: Die chinesische Staatsreederei Cosco wird demnach nicht wie geplant 35 Prozent des Terminals Tollerort übernehmen können, sondern nur 24,9 Prozent.“ schreibt die SZ.

Das Wirtschaftsministerium hatte bereits eine im September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited über eine 35-Prozent-Beteiligung der Chinesen am HHLA-Terminal Tollerort geprüft, wie die Ruhrnachrichten berichteten. Habeck wollte, so die Zeitung, den chinesischen Einstieg komplett untersagen. Ganz im Gegensatz zum Kanzleramt, das wollte laut einer Recherche von NDR und WDR den chinesischen Einstieg durchsetzen. Am Ende nun also ein kleines Zugeständnis seitens des Kanzlers an die widerspenstigen Minister und Abhängigkeits-Mahner.

Klare Kante
Statt an der 35-Prozent-Beteiligung des chinesischen Unternehmens Cosco an dem Containerterminal im Hamburger Hafen festzuhalten, zeigt sich das Kanzleramt kompromissbereit und gesteht dem chinesischen Unternehmen nur 24,9 Prozent zu. Die Hamburger nennen das wohl „Klare Kante“ zeigen. Jedenfalls wird so ein Vetorecht und wohl auch ein chinesischer Geschäftsführer von Cosco verhindert. Ganz so realitätsfremd ist man am Ende des Tages dann doch nicht, weder im Kanzleramt noch beim Hamburger Senat oder bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). „Man sei nicht naiv und schaue sich die Welt an“, formulierte es Hans-Jörg Heims, Sprecher HHLA im ZDF heute Journal. Und deswegen weiß man auch, was in China für Verhältnisse herrschen, das nehme man wahr.

Zugegeben, der Deal ist schwierig und wie Marie-Agnes Strack Zimmermann von der FDP-Fraktion es so treffend im gleichen ZDF Beitrag auf den Punkt brachte: „Ein bisschen schwanger gibt es nicht. Also entweder man macht ein Geschäft mit den Chinesen, oder man lässt es bleiben. Und wir empfehlen dringend es bleiben zu lassen.“ Aber darauf hat der Kanzler und seine Berater nicht gehört und so stellt sich die Frage, warum verkauft Deutschland überhaupt kritische Infrastrukturen an Unternehmen aus autokratischen Ländern? Haben wir nichts aus Putins Einmarsch in die Ukraine gelernt? Begeben wir uns durch den Verkauf der Anteile an Cosco nicht in eine ähnliche Abhängigkeit von China, wie beim Gas von Russland? Anscheinend nicht, denn sonst hätte Olaf Scholz das Thema nicht zur Chefsache erklärt und den Deal gegen alle Bedenkenträger durchgedrückt. Der Verkauf der Anteile zeigt, dass hier wirtschaftliche Interessen und strategische Bedenken ungebremst aufeinander prallen. Cosco hatte zugesagt, im Fall einer Beteiligung Teile seines Frachtgeschäftes bevorzugt über Hamburg abzuwickeln. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: wird aus dem Deal nichts, können wir auch anders und leiten unsere Schiffe in andere Häfen um. Man muss sich nur in der Welt umschauen, um zu wissen, was das bedeuten kann. Vor allem weil Cosco bereits an den Häfen Rotterdam, Seebrügge und Antwerpen beteiligt ist und die zählen zu den härtesten Konkurrenten Hamburgs in Europa. Nun sollte man den Verkauf auch nicht überbewerten und allzu viel hineininterpretieren, was nüchtern betrachtet nicht hinein gehört. Eine Beteiligung von 24,9 Prozent, wie nun geplant, ist eine von vielen Dutzend Wirtschaftsbeteiligungen, die chinesische Unternehmen in Deutschland bereits halten. Tollerort, das Ziel der chinesischen Investition, ist zudem flächenmäßig das kleinste der vier Containerterminals der HHLA.

The winner takes it all
Wie die Welt berichtet hat die Bundesregierung im Rahmen der Investitionsprüfung untersucht, ob sich durch eine Beteiligung des chinesischen Unternehmens Gefahren für die Sicherheit Deutschlands ergeben würden. „Dies ist aus Sicht der HHLA nicht der Fall,“ zitiert die Welt den HHLA Sprecher. Cosco erlange keinen Zugriff auf den Hamburger Hafen oder die HHLA und auch nicht auf strategisches Know-how. Rückenwind für diese Einschätzung bekam die HHLA von der Logistik-Branche. Diese hat laut den Worten von Verbandschef Thomas Wimmer kein Problem mit einem Einstieg der chinesischen Reederei Cosco bei einem Container-Terminal im Hamburger Hafen. Vom geplanten Deal, so der Verband, sei keine kritische Infrastruktur betroffen. Das mag richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass Deutschlands Abhängigkeit von China wieder ein ganzes Stück gewachsen ist. Das sieht auch das Auswärtige Amt so. „Der Erwerb von Anteilen am Containerterminal Tollerort durch die chinesische Staatsreederei COSCO erweitert den strategischen Einfluss Chinas auf die deutsche und europäische Transportinfrastruktur sowie die deutsche Abhängigkeit von China unverhältnismäßig“, heißt es in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Protokollnotiz, die das Auswärtige Amt im Kabinett einbrachte.

Der Hamburger Hafen ist der größte deutsche Seehafen und zählt zur kritischen Infrastruktur. Es wird befürchtet, dass durch den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Erpressungspotenzial gegenüber Deutschland entstehen könnte. „Auch könnte wirtschaftlicher und politischer Druck ausgeübt werden, da globale Lieferketten durch solch einen Teilverkauf von China dominiert werden könnten. Allerdings schließen sich Reedereien seit Jahren zu immer größeren Allianzen zusammen, wodurch sie ohnehin große Marktmacht erreichen, so auch bereits Cosco,“ schreibt der Deutschlandfunk. Da klingt die Einschätzung des HHLA Sprecher in dem Beitrag der Welt doch etwas anders: „Die Zusammenarbeit zwischen HHLA und Cosco schafft keine einseitigen Abhängigkeiten. Im Gegenteil: Sie stärkt die Lieferketten, sichert Arbeitsplätze und fördert Wertschöpfung in Deutschland.“

Gefährliche Abhängigkeiten
Doch wirtschaftliche Interessen erklären nicht alles oder wie es die SZ formuliert: „Wieso also wird einem chinesischen Unternehmen der Zugang zu kritischer Infrastruktur ermöglicht, während China deutsche Hafenbeteiligungen nicht mal erwägt?“ Die Antwort des Kanzlers hierzu steht noch aus. Was dem ganzen Deal eine ganz besondere Geschmacksnote verleiht ist der Umstand, dass die Bundesregierung ihre China-Strategie nicht veröffentlicht hat,“ die seit Monaten vorbereitet ist und nun fertig ausformuliert in der Schublade liegt? Diese Strategie kann für die deutsch-chinesischen Beziehungen nur nachteilig ausfallen, sie wird der naiven deutschen Wirtschaft noch einmal ihre gefährliche Abhängigkeit unter die Nase reiben, und sie wird die Beziehungen trüben – ob vor oder nach der Reise des Kanzlers,“ wie die SZ zu Recht anmerkt.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird Anfang November mit einer Wirtschaftsdelegation nach China reisen. Die Einigung innerhalb der Regierungskoalition gilt als wichtiges politisches Signal an China. Doch nicht alle sind in der Ampelkoalition von diesen Signalen begeistert. Wie die FAZ berichtet, hat die Vorsitzende der Jungen Liberalen in der FDP, Franziska Brandmann, die Bundesregierung und die eigene Partei aufgefordert, die geplante Beteiligung von Cosco an dem Terminal im Hamburger Hafen zu stoppen. „Alles andere schade auch der FDP. „Es ist schmerzlich deutlich geworden, dass die große Koalition im Umgang mit Russland zu blauäugig agiert und Deutschland so in eine energiepolitische Abhängigkeit geführt hat“, sagte Brandmann dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Diese „sicherheitspolitische Naivität“ müsse mit der Ampelregierung ein Ende haben.“

„Die Entscheidung, den chinesischen Staatskonzern Cosco (der sich intern brüstet: „Wir folgen den Anweisungen der Partei und segeln fürs Vaterland“) einzuladen als Investor im Hamburger Hafenterminal Tollerort, sendet ein fatales Signal“, schreibt die SZ kurz vor der Abreise des Kanzlers nach China. „Nicht nur, weil China – Stichwort Reziprozität, also Gegenseitigkeit – niemals einem westlichen Konzern den gleichen Gefallen täte in einem seiner Häfen.“

11 Stunden, um zu punkten
Wie hat es Olaf Scholz in seinem Gastbeitrag in der FAZ „Darum geht es bei meiner Reise nach China“ so treffend formuliert: „Auch bei chinesischen Investitionen in Deutschland differenzieren wir danach, ob ein solches Geschäft riskante Abhängigkeiten schafft oder verstärkt. Das war übrigens auch der Maßstab, den die Bundesregierung im Fall der Minderheitsbeteiligung der chinesischen Reederei Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens angelegt hat. Dank klarer Auflagen bleibt die volle Kontrolle des Terminals bei der Stadt Hamburg und der Hafengesellschaft. Diversifizierung und Stärkung unserer eigenen Resilienz statt Protektionismus und Rückzug auf den eigenen Markt – das ist unsere Haltung, in Deutschland und in der Europäischen Union.“ Darum geht es auch bei dieser Reise. Dem Kanzler bleiben 11 Stunden, um die Resilienz Deutschlands gegenüber China zu stärken und die Abhängigkeiten zu verringern.

Es bleibt zu hoffen, dass der Kanzler nicht mit leeren Händen von dieser Reise zurückkommt. Sonst wird der Gegenwind für Olaf Scholz und für seine China-Politik heftiger werden.

Dr. Oliver Prause

Vorstandsvorsitzender infpro