Lieferketten unter Druck

Die überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmen hat seit der Corona-Pandemie konkrete Maßnahmen ergriffen, um ihre Lieferketten anzupassen. Das geht aus einer Umfrage des ifo Instituts vom Juli 2022 hervor, die das Forschungsnetzwerk EconPol Europe veröffentlicht hat. 

Demnach haben 87 Prozent der Industrieunternehmen als Reaktion auf Lieferkettenstörungen ihre Beschaffungsstrategie verändert. 68 Prozent aller Industrieunternehmen haben als Reaktion auf Lieferkettenstörungen ihre Lagerbestände erhöht. 65 Prozent setzen auf eine verstärkte Diversifizierung von Lieferketten, indem sie die Zulieferbasis durch neue Lieferanten und Bezugsquellen erweitern. 50 Prozent der Unternehmen berichten, die Überwachung ihrer Lieferketten verbessert zu haben. Lediglich 13 Prozent haben zuvor ausgelagerte Produktionsprozesse wieder zurück ins Unternehmen eingegliedert

Instabile Lieferketten gefährden die Versorgungssicherheit

Deutschland ist als Handelsnation in beson­ders hohem Maße auf stabile Lieferketten und sichere Außenhandelsbedingungen angewiesen. Versorgungssicherheit ist insofern eine zentrale Bedingung für die Überlebensfähigkeit des Industriestandorts Deutschland, aber auch maßgeblich für eine gesicherte Belieferung mit einer Fülle von Konsumgütern.

Die gegenwärtige Komplexität globaler Lieferketten, just-in-time-Produktionen und engmaschig aufeinander abgestimmte Trans­portwege sind eine stetig größere Herausforderung für die weltweiten Liefer­netzwerke. Sie steigern die Störanfälligkeit durch interne sowie externe Parameter. Die  Corona-Pandemie fungierte dabei als Verstärker bereits vorhandener Lieferkettenprobleme: Nach deren Ausbruch wurde schnell deut­lich, wie fragil das Netz globalisierter Waren­ströme ist, wenn ein weltweiter Gesundheits­notstand eintritt.

Inzwischen haben die Störungen auf zahlreiche Wirtschaftszweige übergegriffen, auch die Konsumenten bekommen sie zu spüren. Eine kurzfristige Besserung ist eher nicht in Sicht, was gravierende Folgen für weltweite Produktionsprozesse hat.

Die Zeit ist längst vorbei, in der Unterbrechungen der Lieferkette als einmalige Ereignisse behandelt werden können, in denen Unternehmen sich bemühen, die Unterbrechung ihres Geschäfts zu mildern und den Fluss von Waren, Geldern und Informationen über die Lieferkette aufrechtzuerhalten. Der Konflikt in der Ukraine verstärkt die Notwendigkeit für die meisten Unternehmen, über widerstandsfähigere Lieferketten zu verfügen.

Risiken für die Konjunktur, Lieferketten unter Druck

Deloitte CFO Survey Frühjahr 2022

Von Chip-Krise bis hin zu Logistik-Problemen: Die globalen Lieferketten standen schon vor dem Krieg in der Ukraine unter Druck. Dies hat sich nun noch deutlich verschärft. Die Resultate der Ausgabe im Frühjahr 2022 sind stark von den ökonomischen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine geprägt: Die zunächst positive wirtschaftliche Ausgangslage zum Jahresbeginn wurde dadurch komplett verändert. Aktuell dominieren aus Sicht der CFOs Konjunkturrisiken und Lieferkettenprobleme das Bild.

Ein Fünftel der Studienteilnehmer gibt eine starke Betroffenheit von Lieferkettenproblemen an, 38 Prozent eine mäßige. Gefragt wurde auch, welche Schwierigkeiten den Unternehmen hier konkret zu schaffen machen. Zu den hohen Transportkosten sowie den höheren Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte (jeweils 45 Prozent) kommen nun auch verstärkt Engpässe bei Zwischenprodukten, die nicht rechtzeitig geliefert werden (18 Prozent). Für 9 Prozent der Unternehmen sind sie sogar überhaupt nicht verfügbar. Je nach Branche stellt sich die Lage noch differenzierter und teils erheblich problematischer dar…..

Die CFOs wurden auch dazu befragt, mit welchen Maßnahmen die Unternehmen versuchen, die Störungen der Lieferketten zu kompensieren oder zu beheben. 52 Prozent geben an, dass sie mit einer Diversifizierung des Liefernetzwerks (Lieferanten und Vertriebswege) reagieren. 48 Prozent kooperieren intensiver mit Partnern und Lieferanten. Die Erhöhung der Lagerbestände für Teile und Zubehör folgt mit 47 Prozent, im Maschinenbau gehen sogar 77 Prozent der Unternehmen diesen Weg. Weitere Maßnahmen sind Stress- bzw.- Szenario-Tests, verstärkte lokale Beschaffung  und ein verstärkter Einsatz digitaler Planungswerkzeuge. Eine Re-Evaluierung oder Verlagerung von Produktionsstandorten beabsichtigen insgesamt nur 13 Prozent der Befragten, in der Industrie ist der Anteil aber deutlich höher (Autoindustrie: 50 Prozent). Trotz dieser Bemühungen sehen die meisten Befragten mittelfristig kein Licht am Ende des Tunnels. Nur fünf Prozent der CFOs geben an, dass sich die Lieferketten ihrer Unternehmen voraussichtlich bis Jahresende normalisieren werden. Für 2023 rechnen damit jedoch immerhin 60 Prozent der Unternehmen. 

Produktion vom 24. Oktober: Sicherung der Materialversorgung

Gefährdete Lieferketten: So reagiert die deutsche Industrie

Die Lieferkettenproblematik hält an. Wie die deutsche Industrie damit umgeht und welche Strategien sie verfolgt, um langfristig dagegen gewappnet zu sein.

Staus von Container-Schiffen auf den Weltmeeren. Festsitzende Ladungen in Antwerpen, Rotterdam und Hamburg. Container-Mangel. Das Fehlen von Lastwagenfahrern. Und: Immer wieder neue scharfe Corona-Lockdowns in Shanghai, Shenzhen und anderen chinesischen Metropolen, die den Außenhandel der Volksrepublik empfindlich behindern. All das sorgte bereits vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine dafür, dass am Ende der Lieferkette Bauteile wie Mikrochips und grundlegende Werkstoffe wie Stahl, Aluminium oder Polymere für die Produktion fehlten. Mit einer Entspannung rechnen Experten frühestens Ende 2023.

Beispiellose Störung der Lieferketten führt zu höheren Kosten
„Seit 2020 erleben wir eine Störung der Lieferketten in einem Ausmaß wie nie zuvor.“ Mit dieser Aussage beschreibt Ruben Conzelmann, Vice President Purchasing bei Pilz in Ostfildern, eine Problematik, die für die gesamte verarbeitende Industrie mit großen Herausforderungen verknüpft ist. Ein zu Jahresbeginn 2022 erhobenes Meinungsbild des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt deren Relevanz auf breiterer Ebene.

Demnach klagt die Industrie über steigende Kosten beziehungsweise Ertragseinbußen (80 Prozent der Antworten), längere Wartezeiten (82 Prozent), höheren Planungsaufwand (70 Prozent), nicht abgearbeitete Aufträge (50 Prozent) oder gar Produktions-Stopps (42 Prozent) infolge der beeinträchtigten Logistiknetzwerke.