Deutschlands Abhängigkeit bei Rohstoffen

“Man habe die Rolle der Rohstoffsicherheit in den letzten Jahren so sehr vernachlässigt, dass man „den Stiefmüttern unrecht tun würde, wenn man stiefmütterlich sagen würde“, zitiert die BILD Wirtschaftsminister Habeck auf dem BDI Rohstoff-Kongress in Berlin am 20. Oktober diesen Jahres.

FAZ vom 13. Oktober 2022

So abhängig sind wir

“Deutschland hat sich so effizient wie kaum ein anderes Land die Vorteile internationaler Arbeitsteilung zunutze gemacht und überall dort eingekauft, wo es vor allem billig ist. Einzig und allein der Preis bestimmte, woher welche Rohstoffe, Vor- und Endprodukte oder Dienstleistungen bezogen wurden, weitgehend auf Basis des einzelwirtschaftlichen Kalküls eines jeden Unternehmens. Die damit verbundenen Risiken haben die Unternehmen über Jahre negiert, sie auf der Kostenseite nicht eingepreist. Jetzt aber merken es alle: Ausgerechnet deutsche Schlüsseltechnologien sind stark importabhängig und liegen sofort lahm, wenn zum Beispiel Magnesium oder Neon fehlen, wenn Halbleiter oder Kabelbäume nicht lieferbar sind.”

Statement

Dr. Oliver Prause, Vorstandsvorsitzender infpro

Deutschland und Europa ist leider nicht nur bei den Rohstoffen erpressbar. In den vergangenen Jahrzehnten waren wir Profiteure der Globalisierung, dabei wurden die wirtschaftlichen Abhängigkeiten ausgeblendet. Unternehmen sind den dominierenden Wirtschaftsmechanismen (billige Rohstoffe, niedrige Arbeitskosten, geringe Logistikkosten, etc.) gefolgt. Veränderte politische Rahmenbedingungen in einigen Ländern wurden ignoriert. Derzeit stehen die Partikularinteressen der Branchen (Gas, Strom, Chips, Medikamente, Rohstoffe, etc.) im Vordergrund und es entsteht viel politisches Stückwerk, um die Klientel zu versorgen. Wenn das kleben von Pflastern nicht zum Prinzip erhoben werden soll dann brauchen wir dringend eine europäische, sprich deutsche Wirtschaftsstrategie, die den Weg aus der Krise weist. Japan zeigt, wie ein Land Rohstoffsouveränität erreichen kann. Mit einem Gesetz zur Wirtschaftssicherheit sichert Japan sich kritische Rohstoffe für eine klimaneutrale Zukunft. Das Konzept könnte auch für Deutschland interessant sein.

Deutschland braucht eine strategische Rohstoffpolitik

BDI präsentiert zum Rohstoffkongress einen Fünf-Punkte-Plan: „Deutschland braucht eine strategische Rohstoffpolitik”

„Rohstoffe werden gerade von Russland als Waffe eingesetzt. Deutschland ist erpressbar. Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es bei kritischen mineralischen Rohstoffen keine nationalen Reserven. Die politische Zeitenwende ist auch eine Zeitenwende für die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen.“ Das sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag auf dem BDI-Rohstoffkongress in Berlin.

Deutschland und Europa drohten den globalen Wettbewerb um strategisch wichtige Rohstoffe zu verlieren mit fatalen Folgen für die Versorgungssicherheit und die Abhängigkeit von anderen Ländern. „Bei kritischen mineralischen Rohstoffen wie seltenen Erden ist die Abhängigkeit, insbesondere von China, bereits wesentlich größer als die bisherige Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieträgern“, warnte der BDI-Präsident. Die deutsche Industrie fordere einen gemeinsamen Kraftakt zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: „Die Versorgung mit kritischen Rohstoffen muss in Zukunft als strategisch für die nationale Sicherheit gelten“, sagte Russwurm.

Tagesschau vom 20.10.2022

Welche Rohstoffe sind kritisch?

Die Europäische Kommission definiert insgesamt 23 Rohstoffe als entscheidend für die Herstellung der Schlüsseltechnologien wie Batterietechnik, Robotik und Erneuerbaren Energien. Bei neun von ihnen sieht das Münchner ifo-Institut dringenden Handlungsbedarf für Deutschland. Als krisenanfällige Lieferketten identifiziert wurde in einer Studie im Auftrag der IHK der Import von Kobalt, Bor, Silizium, Graphit, Magnesium, Lithium, Niob, Seltene Erden und Titan. “Hier sind mehr Bezugsquellen nötig, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen”, sagte Lisandra Flach, Leiterin des ifo-Zentrums für Außenwirtschaft. Gerade in Zeiten von Lieferketten-problemen und geopolitischen Spannungen könne es sonst zu einem Ausfall der importierten Rohstoffe kommen, die laut ifo “essenziell für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands” sind.

Demnach bestehen große Abhängigkeiten, da Deutschland nur von wenigen Bezugsländern beliefert wird. So bezögen deutsche Unternehmen beispielsweise Seltene Erden nur von zwei der fünf weltweit größten Exporteure. Die Marktkonzentration von Monopolen wie China sei ein großes Risiko – vor allem, wenn gleichzeitig die Nachfrage regelrecht explodiert.

“Deutschland ist, wie andere europäische Länder auch, ein rohstoffarmes Land. Selbst wenn sich die Recycling-Quoten erhöhen würden, bleibt das Land auf den Import angewiesen. “Kooperationen mit rohstoffreichen Ländern mit hohen Standards müssen wir intensivieren, etwa mit Australien”, fordert Russwurm. Kritische Rohstoffe sollten zentrale Bausteine in Handels-, Investitions- und entwicklungspolitischen Abkommen sein. “Nur so fördern wir nachhaltigere Exploration und Raffinierung vor Ort.” 2019 importierte Deutschland Rohstoffe im Wert von 175 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Wert der im eigenen Land produzierten Rohstoffe belief sich auf nur 11,4 Milliarden Euro. Neben Braunkohle und Baurohstoffen wie Sand und Kies werden Industriemineralien gefördert, vor allem Steinsalz und Kalisalze. Kritische mineralische Rohstoffe wie Indium, das für Halbleiter gebraucht wird, Wolfram, Kobalt oder Platinelemente kommen in Deutschland zwar vor, werden aber nicht abgebaut. “Jede Tonne heimischen Rohstoffabbaus reduziert die Importabhängigkeit und stärkt die Resilienz und Versorgungssicherheit Deutschlands”, heißt es in einem Fünf-Punkte-Papier der deutschen Industrie zur Rohstoffsicherheit. Bergbau müsse raumplanerisch ermöglicht, Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt, der Bergbau als solches wieder “gesellschaftsfähig” gemacht werden.”