Lichtblicke am deutschen Industriefirmament 

Ein Beitrag von Horst Wildemann

Nicht nur die Erfindung des Automobils durch Karl Benz oder die bahnbrechenden medizinischen Fortschritte durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen zeugen von der tief verwurzelten Tradition deutscher Innovationen. Auch die Entwicklung des MP3-Formats, die aus deutschen Forschungslaboren stammte, prägte eine ganze Generation. Diese Erfindungen stehen symbolisch für eine Zeit, in der Innovationen – Made In Germany – ein weltweites Gütesiegel waren. Doch ein zunehmend risikoaverses Klima hemmt neue Spitzenleistungen – so scheint es.

Von Pionieren den Weg zu alten Spitzenleistungen lernen
Es gibt Lichtblicke, die zeigen, dass der Geist der Innovation in Deutschland nicht erloschen ist. BioNTech und Knauf sind zwei Beispiele, die zeigen, wie man erprobte, deutsch-geprägte Prinzipien auf neue Marktherausforderungen anwendet. Beide haben die Modularisierung auf die jeweils eigene Wertschöpfung angewendet. In der COVID-19-Pandemie hat BioNTech gelernt, dass eine schnelle Anlaufkurve und Flexibilität die Schlüssel sind, um schneller und flexibler auf lokale Medikamentnbedarfe zu reagieren. mRNA-Wirkstoffe können in kurzer Zeit entwickelt werden. Doch das allein reicht nicht; es ist auch eine schnelle industrielle Skalierung notwendig, um viele Millionen Menschen in kurzer Zeit erreichen zu können. Genau das hat BioNTech gemacht, in dem das Mainzer Unternehmen die Produktionsprozesse in Module zerlegt und in standardisierten See-Containern technisch umgesetzt. Um überall auf der Welt in kurzer Zeit eine modulare Produktion für Medikamente installieren zu können, ist das Gestaltungsprinzip der modularen Produktion der Innovationssprung. Als Prinzip in dutzend Automobilfabriken weltweit bekannt, schafft sich BioNTech mit der modularen Produktion einen Wettbewerbsvorteil. Autarke Satellitenanlagen, etwa für spezifische Krebsmedikamente, können dort produzieren, wo sie benötigt werden.

Ähnliches hat Knauf realisiert. Die Bundesregierung, stets ambitioniert in ihren Ankündigungen, versprach einst, jährlich 400.000 neue Wohnungen aus dem Boden zu stampfen. Genehmigungsverfahren, Fachkräftemangel und die enorm gestiegenen Baustoffpreise sowie Zinssteigerungen führen kombiniert aber mit einem Förderfiasko dazu, dass preiswerter Wohnraum in weite Ferne rückt. Klappen kann es also nur, wenn wir Zeit, Kosten und Qualität in der Baubranche auf deutlich höheres Niveau hieven. Im Hausbau hat es die Moderne aber nicht gegeben. Alle Versuche, den Hausbau auf ein industrielles und gleichzeitig architektonisch wertvolles Niveau zu heben, sind bislang erfolglos geblieben. Knauf hat mit dem Konzept des modularen Hausbaus aber gezeigt, dass individuelles Wohnen durch eine industrielle Produktion von 3D-Elementen möglich ist und bricht so mit der jahrtausendealten, ineffizienten Tradition des handwerklichen Bauens. Inspiriert von der Flexibilität der Automobilindustrie, in der auf derselben Produktionslinie eine Vielfalt an Modellen entsteht, verspricht der modulare Hausbau eine individuell anpassbare Wohnlösung, die sowohl nachhaltig als auch finanziell zugänglich ist.

Vielleicht findet sich die Maxime für zukünftige Spitzenleistungen – Made in Germany – in einem fast 100 Jahre alten Dokument. Der britische Ökonom John Maynard Keynes formulierte in seinem Essay von 1926 eigentlich die Lösung: „Der Staat sollte Dinge ermöglichen, die sonst nicht möglich wären“. Genau hierfür brauchen wir einen starken Staat: gezielte Förderung und Investitionen in Forschung und Entwicklung und die Schaffung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen. Innovationen müssen wegen und nicht trotz der staatlichen Intervention sprießen. Wenn wir uns das zu Herzen nehmen, haben wir auch die Chance, uns auf dem Weltmarkt wieder als Erfindernation einen Namen zu machen.

 

 

Bild: erstellt mit (c) DALL-E von OpenAI.

Horst Wildemann

Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann ist Professor an der Technischen Universität München und leitet die Unternehmensberatung TCW. Er veranstaltet am 11. und 12. März 2025 das Münchner Management Kolloquium zum Thema „Perspektiven für Wachstum und Wandel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“.