Die Standortfrage: Ist Deutschland noch Top?
Die einen kommen, um zu bleiben, die anderen wollen gehen. Jedes zehnte Familienunternehmen will den Standort Deutschland verlassen. Doch Deutschland ist besser als sein Ruf. E-Autobauer Tesla oder der Chipkonzern Intel bauen hierzulande Fabriken, Apple investiert in München, ist Deutschland als Produktionsstandort noch attraktiv oder verliert das Land den Anschluss?
Warum Abwandern aus Deutschland der falsche Weg wäre
Wohin soll die Produktion verlagert werden? In fast allen Ländern Europas sind die Probleme ähnlich, auch dort ist Energie zuletzt deutlich teurer geworden. Dafür ist die politische Lage manchmal deutlich volatiler, wie sich derzeit in Italien oder in Großbritannien zeigt. Produktionsverlagerungen nach China sind auch problematisch, will die deutsche und europäische Wirtschaft die Abhängigkeit doch eher reduzieren. Also wohin überhaupt gehen? Viele entscheiden sich für die USA. BMW etwa investiert gerade viel Geld in sein Werk in Spartanburg und baut eine neue Batteriefabrik, vor allem jedoch, um den dortigen Markt besser zu bedienen. In den USA ist zwar Energie billiger, Mitarbeiter sind aber schlechter ausgebildet und die politische Lage unsicher. Welche Agenda wird ein möglicher Nachfolger von US-Präsident Joe Biden verfolgen?
Aus Sicht ausländischer Investoren verliert Deutschland an Anziehungskraft. Die Zahl der Investitionen sank im vergangenen Jahr deutlich. Aufwärts ging es dagegen in anderen großen europäischen Staaten.In Deutschland sind die Investitionen aus dem Ausland im vergangenen Jahr um zehn Prozent gesunken. Das zeigt eine am Morgen veröffentlichte Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Demnach kündigten ausländische Investoren im vergangenen Jahr 841 Projekte in Deutschland an.
“Im innereuropäischen Standortwettbewerb scheint Deutschland derzeit das Nachsehen zu haben”, kommentiert EY-Geschäftsführer Henrik Ahlers die aktuellen Ergebnisse der Studie “Standort Deutschland 2022”. Nachbar Frankreich habe in den vergangenen Jahren wichtige Reformen umgesetzt und sich einen Ruf als attraktiver Investitionsstandort erarbeitet.
Handelsblatt
Kritik von US-Investoren: Standort Deutschland verliert an Attraktivität
“Unsichere Energieversorgung, fehlende Fachkräfte, bröcklige Infrastruktur: In einer neuen Umfrage vergeben US-Unternehmen schlechtere Noten für Deutschland.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland verliert bei ausländischen Investoren deutlich an Attraktivität. In einer aktuellen Umfrage der amerikanischen Handelskammer in Deutschland bewerten die 50 größten in der Bundesrepublik tätigen US-Unternehmen den Standort nur noch mit der Note 2,7 – vor zwei Jahren hatten sie noch im Schnitt eine 1,9 vergeben.
Vor allem die Verwerfungen auf dem Energiemarkt durch den Konflikt mit Russland schrecken die Investoren ab: Die hohen Energiepreise und die Furcht vor ausbleibenden Gaslieferungen gefährden Investitionen in Deutschland. „Wir sorgen uns wegen möglicher Versorgungslücken“, sagt ein prominenter Vertreter eines US-Konzerns, der nicht genannt werden will. Aber auch fehlende Fachkräfte und Mängel in der Infrastruktur bereiten den Investoren Sorgen.
Die Kritik hat Gewicht: Die 50 größten US-Unternehmen in Deutschland beschäftigen hierzulande 275.000 Mitarbeiter und setzen 218 Milliarden Euro um……
In der Kritik steht Deutschland aber nicht nur wegen der Energieversorgung. „Funklöcher, Kabelausbau, Breitband, viele Themen werden seit Jahrzehnten diskutiert, aber echte Fortschritte bleiben aus“, sagt Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit von Procter & Gamble. „Auch die physische Infrastruktur kommt nicht vom Fleck, ein S-Bahn-Projekt in meiner Heimat wird zum Generationsvorhaben. Straßen, Brücken, Eisenbahn, die Liste mit Aufgabenfeldern ist lang, und es wird dringend Zeit, etwas zu tun.“