STUDIEN
Wertschöpfung lohnt
Bewertung der ungenutzten Wertschöpfungspotenziale der badenwürttembergischen und deutschen Industrie in Zeiten der Digitalisierung der Wertschöpfung
Eigene Wertschöpfung verschafft Gewinn- und Produktivitätspotenziale
Zum einen zeigt sich ein signifikant positiver Einfluss der Höhe der eigenen Wertschöpfungstiefe auf die Gewinnsituation eines Unternehmens. Dies belegt ein lineares Regressionsmodell auf Basis der Kostenstrukturdaten des Statistischen Bundesamtes. Eine Erhöhung der Wertschöpfungstiefe eines Unternehmens um 1 Prozentpunkt geht demnach mit einer Erhöhung des Gewinns um 0,2 Prozentpunkte einher. Die Ergebnisse eines logistischen Regressionsmodells auf Basis einer Unternehmensbefragung bei 1594 Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland unterstützen diesen Befund. Demnach ist die Wertschöpfungstiefe der mit Abstand stärkste Erklärungsfaktor für die Wahrscheinlichkeit eines Unternehmens, eine Umsatzrendite von mehr als 2 Prozent zu erwirtschaften. Zum anderen beeinflusst die Wertschöpfungstiefe stark positiv die Produktivität eines Unternehmens. Sie ist sowohl für die Gesamtfaktorproduktivität als auch für die Arbeitsproduktivität eines Unternehmens der jeweils stärkste Erklärungsfaktor, wie spezifische lineare Regressionsmodelle Basis der breitenempirischen Unternehmensbefragung zeigen.
Global Sourcing zeigt keine positiven Wirtschaftlichkeitseffekte
Dagegen liefert der Auslandsbezug von Vorleistungen keinen signifikanten Erklärungsbeitrag für die Gewinnsituation oder Produktivität eines Unternehmens. Die Nutzung globaler Zulieferketten (global supply chains) scheint entgegen vielfach geäußerter Ansichten nicht entsprechend positiv mit der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens zusammenzuhängen. Die qualitativen Ergebnisse auf Basis von 16 Experteninterviews legen nahe, dass die potentiellen Kostenreduktionseffekte der Zusammenarbeit mit ausländischen Zulieferern durch größeren Abstimmungsaufwand und höhere Koordinationsaufwendungen zur Sicherstellung der flexiblen Reaktions- und Lieferfähigkeit in der Lieferkette kompensiert werden. Auf der Absatzseite zeigt sich jedoch ein positiver Effekt der Exportquote auf die Gewinnsituation eines Unternehmens. Zudem ist sie nach der Wertschöpfungstiefe der zweitstärkste Erklärungsfaktor für die Produktivität von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes.
Ein weiterer, beachtenswerter Befund der Studie ist, dass die Arbeitsproduktivität negativ mit dem Anteil der in Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes tätigen, an- oder ungelernten Arbeitskräfte zusammenhängt. Dies deutet auf die Schwierigkeiten hin, am Produktionsstandort Deutschland einfache manuelle Tätigkeiten mit der gleichen Produktivität zu betreiben wie komplexere und wissensintensivere Produktionsprozesse, die Facharbeit und höhere Qualifikationen erfordern. Erfolgreiche Unternehmen, die eine hohe eigene Wertschöpfungstiefe realisieren, setzen folgerichtig verstärkt Facharbeiter, Techniker und Meister in ihren Wertschöpfungsprozessen ein und weniger an- oder ungelernte Kräfte.
Autoren der Studie
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft
ILIN Institut für Lernen und Innovation in Netzwerken
Prof. Dr. Steffen Kinkel, Sebastian Beiner, Arndt Schäfer
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Heidi Heimberger, Angela Jäger
Wertschöpfung lohnt
Vorteile und Notwendigkeit lokaler Wertschöpfungsketten Analyse der Industrieposition in Baden-Württemberg, exemplarisch auch für das Zukunftsfeld Elektromobilität