Eine Frage des Vertrauens
Ein Beitrag von Klaus Weßing.
„Wer nachhaltig und rentabel in die Zukunft investieren wolle, ist in Deutschland und Europa richtig,“ mit diesen Worten stimmte im vergangenen Jahr Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede in Davos die Teilnehmer:innen auf das große Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden und zugleich ein starkes Industrieland zu bleiben. Ein Jahr später ist das Vertrauen in Deutschland, dass diese beiden ambitionierten Ziele erreicht werden, geschmolzen wie das Eis der Gletscher in der Antarktis. „Deutschland verliert in Davos an Ansehen,“ schreibt die Frankfurter Rundschau. Und Österreichs Top-Ökonom Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zweifelt es in seinem Interview mit der Wirtschaftswoche am Willen an der Führungsstärke des Kanzlers: „Mit Verlaub, ich kann bei Olaf Scholz keine Führungsstärke erkennen, die in einer solchen Krise jetzt notwendig wäre. Die Koalition wurstelt sich jetzt so durch, aber bitte, das ist doch nicht der Schub, den Deutschland langfristig braucht. Das Trendwachstum sinkt die nächsten 10 bis 15 Jahre“, so Felbmayr.
Da passt die aktuelle Studie der Unternehmensberatung PWC recht gut ins Gesamtbild. Demnach schwindet das Vertrauen der Geschäftsleute aus anderen Ländern in den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nur noch 15 Prozent der CEOs ausländischer Unternehmen gehen davon aus, dass Deutschland für ihr eigenes Unternehmenswachstum in den kommenden zwölf Monaten wichtig ist, im Vorjahr waren es 2023 noch 18 Prozent.
Deep Dive: PWC-Studie bescheinigt Deutschland schwindendes Vertrauen von ausländischen CEOs. Nicht in dieses Bild passt da eine Studie der Unternehmensberatung PWC, für die über 4.700 CEOs aus 105 Ländern befragt wurden. Demnach schwindet ein Jahr später das Vertrauen der Geschäftsleute aus anderen Ländern in den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nur noch 15 Prozent der CEOs ausländischer Unternehmen gehen davon aus, dass Deutschland für ihr eigenes Unternehmenswachstum in den kommenden zwölf Monaten wichtig ist, im Vorjahr waren es noch 18 Prozent.
Und die Unternehmen aus dem Netzwerk Industrie stellen dem Standort Deutschland ein sehr negatives Zeugnis aus. Das zeigt die aktuelle Standort-Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), die auf den Antworten von mehr als 2.200 Betrieben verschiedener Industriebranchen und Unternehmensgrößen aus allen Regionen basiert.
Quelle: DHIK
Noch nie seit der ersten Erhebung im Jahr 2008 waren die Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion nach Ansicht der betroffenen Unternehmen so schlecht wie derzeit.
DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben befürchtet, dass der Standort Deutschland für die Industrie und ihre Partnerbranchen rapide an Attraktivität verliert, mit der Folge, dass „notwendige Investitionen unterbleiben oder an anderen Standorten getätigt werden. Das kann sich unser Land nicht leisten, wenn wir es mit der Zukunft der Industrie am Standort Deutschland und deren Transformation in Richtung Digitalisierung und Dekarbonisierung ernst meinen.“
Laut der Umfrage der DIHK zeigen die Unternehmen aktuell wenig Zuversicht, dass die Bundespolitik zu einer spürbaren Verbesserung der Rahmen-bedingungen beiträgt. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung stufen die Unternehmen als so schlecht ein (4,8) wie nie zuvor. Bei der Vorumfrage 2020 hatten die Betriebe die Wirtschaftspolitik zumindest noch als „ausreichend“ (3,9) empfunden, 2017 sogar als „befriedigend“ (2,9).
Was fehlt sind Lösungen und wirtschaftliche Perspektiven, die dazu beitragen, das Vertrauen der Industrie wieder zu erlangen. Sonst wird das, was Christian Ramthun in seinem Kommentar zum Haushaltsbeschluss 2024 in der Wirtschaftswoche schreibt, bald schon deutsche Wirklichkeit: „Trotz Rekordausgaben bietet das Zahlenwerk keine Perspektiven für das Land. Mit kleinen Änderungen wurschtelt sich die SPD-Grünen-FDP-Koalition durch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise, in der Deutschland steckt.“
Zwar sieht der Bundeshaushalt Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro vor und ist damit mit Abstand der größte Etat in der bundesdeutschen Geschichte, doch wer bei diesen Summen auf große wirtschaftliche Impulse hofft, wird enttäuscht. „Die Ausgaben verplätschern. Es gibt keine Initiative für eine kraftvolle Stärkung des Wirtschaftsstandortes,“ schreibt die Wirtschaftswoche.
Wir verlieren das Vertrauen der Industrie, der ausländischen Investoren. Und wir verlieren schrittweise unsere starke wirtschaftliche Stellung in der Welt, unsere Weltmarktanteile – auch wenn Deutschland bislang immer noch den höchsten Industrieanteil am BIP mit 20,4 Prozent in Europa hat, schwinden. Zum Vergleich, der Anteil lag im Jahr 2018 noch bei über 22 Prozent. Die Situation macht derzeit nicht zuversichtlich. Das Vertrauen vieler Führungskräfte, dass die deutsche Wirtschaft auf absehbarer Zeit zu alter Stärke zurückfindet, ist bei allem Optimismus eher verhalten. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass das Vertrauen der Wirtschaft und der Bürger, dass die Ampelkoalition die zunehmenden Probleme löst, begrenzt sind. In der Wahrnehmung der Bevölkerung, ist die Regierung in Krisenzeiten nicht in der Lage, effektive Lösungen zu implementieren.
Was sich Europas größte Volkswirtschaft vor diesem Hintergrund am wenigsten leisten kann, ist eine Bundesregierung, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, die sich im Klein-Klein verliert und am Ende keine Kraft und kein Geld mehr hat, den großen Wurf zu wagen. So ist zum Beispiel nach wie vor unklar, welche staatliche Unterstützung es für die Energiewende künftig geben wird. Man muss befürchten, dass der Reformstau in der Infrastruktur, beim Wohnungsbau, bei der Digitalisierung und in der Bildung, um nur ein paar Brennpunkte zu benennen weiter anhält. Selbst Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende der fünf Wirtschaftsweisen sagt in einem Interview mit Focus online zum Haushalt 2024: „Das ist nicht der große Wurf, den wir gebraucht hätten. Einzelne Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, aber sie gehen nicht weit genug.“
Christoph Schweizer, Chef der Unternehmensberatung BCG, kann den Deutschland-Pessimismus der Manager nachvollziehen: „In den USA wird immer weniger über die deutsche Wirtschaft gesprochen. Wenn überhaupt, dann über das aus der Sicht der Amerikaner abschreckende Beispiel Energiewende,“ schreibt das Handelsblatt. Schweizer fordert daher, dass die großen Stärken der deutschen Wirtschaft – Technologie, Forschung, Effizienz – wieder stärker betont und gefördert werden müssen.
Wir müssen uns fragen: Wie können wir besser werden und ein internationales Abrutschen des Standortes verhindern? Eine Industriestrategie, die kein Alibi- Papier bleiben will, muss deshalb die konkrete Umsetzung in den Blick nehmen. Wir brauchen eine konzertierte Strategie, die die folgenden Punkte umfasst:
1. Investitionen in Zukunftstechnologien: Die Politik muss Investitionen in innovative Technologien und Forschung verstärken, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie zu stärken.
2. Förderung von Aus- und Weiterbildung: Wir benötigen eine zukunftsorientierte Bildungspolitik, die die Fähigkeiten und Kompetenzen unserer Arbeitskräfte kontinuierlich weiterentwickelt.
3. Nachhaltige Wirtschaftspolitik: Es ist unerlässlich, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, die sowohl ökologische Nachhaltigkeit als auch ökonomische Stabilität fördern.
4. Unterstützung für den Mittelstand: Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Wir benötigen gezielte Förderprogramme, die insbesondere mittelständische Unternehmen in diesen herausfordernden Zeiten unterstützen.
Bild: erstellt mit DALL-E
Klaus Weßing
Vorstandsvorsitzender infpro