Deutschlands Produktion: Eine Herausforderung für die Zukunft.
Ein Beitrag von Klaus Weßing.
Deutschland, lange bekannt für seine starke industrielle Basis, sieht sich im Jahr 2024 mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Trotz vorübergehender Anzeichen von Erholung bleibt die industrielle Produktion insgesamt rückläufig. Der Rückgang um 2,5 % im Mai 2024 im Vergleich zum Vormonat markiert den größten monatlichen Rückgang seit zweieinhalb Jahren, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Produktion sogar um 6,7 % gesunken. (Statistisches Bundesamt)
Die Hauptgründe für diesen Abwärtstrend sind vielfältig. Hohe Energiepreise und steigende Zinsen haben die Produktionskosten erhöht und Investitionen erschwert, was besonders die energieintensive Industrie betrifft. Die Abhängigkeit von billiger Energie aus Russland, die seit dem Krieg in der Ukraine nicht mehr verfügbar ist, hat die Situation weiter verschärft (DW) (Statistisches Bundesamt). Dies hat viele energieintensive Unternehmen besonders hart getroffen, während andere Branchen wie die Automobil- und Maschinenbauindustrie ebenfalls deutliche Rückgänge verzeichneten.
Ein weiteres Problem ist die allgemeine wirtschaftliche Schwäche, die Deutschlands Industrie belastet. Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien steigt, was einerseits positiv ist, aber andererseits auch die Produktionskapazitäten der traditionellen Industrien reduziert. Die Gesamtproduktion ist gesunken, während der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromnetz steigt. Dieser Anstieg wird jedoch hauptsächlich durch die schwache wirtschaftliche Aktivität und die geringere Gesamtstromproduktion vorangetrieben.
Die Maßnahmen der Ampelkoalition zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Produktion in Deutschland haben gemischte Ergebnisse gezeigt. Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Situation:
1. Energiekostensenkung und Versorgungssicherheit
Die Ampelkoalition hat erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Energiekosten zu senken und die Versorgungssicherheit zu verbessern. Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Errichtung von Flüssiggasterminals haben zu einer stabileren Energieversorgung beigetragen. Allerdings bleiben die Energiekosten weiterhin hoch, was besonders die energieintensive Industrie belastet (Bundesregierung) (Bundesministerium der Finanzen).
2. Förderung von Innovation und Digitalisierung
Das Wachstumschancengesetz hat einige positive Impulse gesetzt. Steuerliche Anreize und Förderprogramme für Forschung und Entwicklung haben zu vermehrten Investitionen in Innovationen geführt. Unternehmen haben begonnen, ihre Produktionsprozesse stärker zu digitalisieren, was die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat. Dennoch gibt es noch viel Raum für Verbesserungen, insbesondere in kleineren und mittelständischen Unternehmen, die oft langsamer bei der Umsetzung solcher Maßnahmen sind (Bundesregierung).
3. Stärkung der Infrastruktur
Der Ausbau der Infrastruktur zeigt gemischte Erfolge. Während Fortschritte bei der Verbesserung der Verkehrssysteme und der Internetinfrastruktur gemacht wurden, gibt es weiterhin Kritik an der langsamen Umsetzung und den bürokratischen Hürden, die Projekte verzögern. Die beschleunigten Genehmigungsverfahren, die bei den Flüssiggasterminals erfolgreich waren, müssen noch breiter angewendet werden (Bundesministerium der Finanzen).
4. Bildung und Fachkräftesicherung
Die Investitionen in das Bildungssystem und die berufliche Ausbildung haben positive Auswirkungen gezeigt. Es gibt jedoch weiterhin einen erheblichen Fachkräftemangel, insbesondere in technischen Berufen. Die Anwerbung internationaler Fachkräfte und Programme zur Weiterbildung und Umschulung müssen intensiviert werden, um den Bedarf der Industrie zu decken (Bundesregierung) (Bundesministerium der Finanzen).
5. Bürokratieabbau
Der Bürokratieabbau hat begonnen, erste Ergebnisse zu zeigen. Das Bürokratieentlastungsgesetz hat dazu beigetragen, die wirtschaftliche Belastung zu reduzieren, aber es bleibt noch viel zu tun. Unternehmen berichten weiterhin von erheblichen bürokratischen Hürden, die ihre Innovations- und Investitionsfähigkeit einschränken.
Die Maßnahmen der Ampelkoalition zeigen Wirkung, allerdings nur teilweise und oft langsamer als erhofft. Die größten Erfolge sind im Bereich der Innovationsförderung und der Digitalisierung zu verzeichnen, während die hohen Energiekosten und der Fachkräftemangel weiterhin große Herausforderungen darstellen. Bürokratische Hürden bleiben ein bedeutendes Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Um die Situation weiter zu verbessern, sollten meiner Meinung nach die folgenden Schritte intensiviert werden:
1. Beschleunigte und breitere Anwendung der schnellen Genehmigungsverfahren, die bei den Flüssiggasterminals erfolgreich waren, auch auf andere Infrastrukturbereiche anwenden.
2. Erweiterung der Förderprogramme für Innovation und Digitalisierung auch auf kleine und mittelständische Unternehmen.
3. Intensivierung der Fachkräfteanwerbung durch international ausgerichtete Programme und bessere Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt.
4. Weiterer Bürokratieabbau, insbesondere in Bereichen, die direkte Auswirkungen auf die Unternehmensgründung und -expansion haben.
5. Nachhaltige Senkung der Energiekosten durch zusätzliche Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnahmen.
Durch die konsequente Umsetzung dieser Empfehlungen kann die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit des Produktionsstandorts Deutschland weiter gestärkt werden.
Lesenswerte Studien
Deutschland sieht sich 2024 mit erheblichen Herausforderungen im Bereich der industriellen Produktion konfrontiert. Zahlreiche Studien führender Wirtschafts- und Beratungsunternehmen beleuchten die Gründe für den Rückgang und bieten Empfehlungen zur Bewältigung der Krise. Im Folgenden sind einige wichtige Studien und ihre Erkenntnisse zusammengefasst:
1. „German Economic Outlook in 2024“ – Roland Berger
Diese Studie von Roland Berger analysiert die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands für 2024. Sie zeigt, dass die deutsche Wirtschaft weiterhin mit hohen Energiepreisen, geopolitischen Unsicherheiten und einem Rückgang der Produktionskapazität kämpft. Besonders betroffen sind energieintensive Industrien wie die Chemie- und Metallindustrie. Die Studie betont die Notwendigkeit von Investitionen in digitale Technologien und nachhaltige Energiequellen, um die Produktion zu stabilisieren (Roland Berger).
2. „Industrie 4.0: Germany – The World’s Leading Industrie 4.0 Nation“ – Germany Trade & Invest (GTAI)
Diese Studie von GTAI hebt die Rolle Deutschlands als führende Nation im Bereich Industrie 4.0 hervor. Sie zeigt, wie Digitalisierung und Vernetzung der Produktion die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern können. Die Studie empfiehlt die verstärkte Nutzung von Technologien wie dem Internet der Dinge (IoT) und Big Data, um Effizienz und Produktivität zu verbessern ( GTAI – Invest in Germany ).
3. „Germany’s Hydrogen Industrial Strategy“ – Center for Strategic and International Studies (CSIS)
Diese Studie untersucht Deutschlands Wasserstoffstrategie als Schlüssel zur Dekarbonisierung der Industrie. Sie betont die Bedeutung von grünem Wasserstoff für die Erreichung der Klimaziele und die Notwendigkeit internationaler Kooperationen zur Sicherstellung der Energieversorgung. Die Studie empfiehlt Investitionen in die Entwicklung von Wasserstofftechnologien und den Aufbau von Produktionskapazitäten im In- und Ausland (CSIS).
4. „Industrial Business Consulting Services & Solutions“ – Accenture
Diese Studie von Accenture beschreibt die Trends und Herausforderungen in der industriellen Produktion und bietet Lösungsansätze zur digitalen Transformation. Sie hebt die Bedeutung von Cloud-Technologien, digitalen Zwillingen und agilen Methoden zur Beschleunigung der Markteinführung und Verbesserung der Kundenbindung hervor. Die Studie betont auch die Notwendigkeit nachhaltiger Geschäftsmodelle und die Umschulung der Arbeitskräfte für zukünftige Anforderungen (Accenture | Let there be change).
6. „Germany’s Industrial Production Expected to Sink Further“ – Deutsche Welle (DW)
Diese Analyse von DW zeigt die anhaltenden Probleme der deutschen Industrie aufgrund hoher Energiepreise und Lieferkettenproblemen. Die Studie unterstreicht die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten und zur Förderung von Investitionen in die Produktion. Die Studie empfiehlt auch die Reduzierung bürokratischer Hürden und die Bereitstellung langfristig planbarer Energiepreise (DW).
Bild: erstellt mit (c) DALL-E von OpenAI.
Klaus Weßing
Vorstandsvorsitzender des Instituts für Produktionserhaltung e.V.