Gruppenbild mt Damen: Die infpro Mitglieder:innen und Gäste bei Voith in Garching

Besuch bei der Fabrik des Jahres

infpro bei Voith in Garching.  Ein Beitrag von Hermann Doppler

 

Voith Werk Garching: Exzellenz durch prozessfähige Automatisierung und Digitalisierung auf der Basis des Lean Managements

Fast 20 Teilnehmer aus verschiedenen Regionen, von NRW bis Bayern und Baden-Württemberg, besuchten das Voith Werk in Garching bei München, um sich über die hochmodernen Aktivitäten und innovativen Vorgehensweisen der vierfach ausgezeichneten ‘Fabrik des Jahres’ zu informieren.

Begrüßung und Einführung

Steffen Krippendorf, COO Mobility – Chief Operations Officer Voith Turbo Mobility, begrüßte die Teilnehmer. In seiner Rolle ist er für die disziplinarische und fachliche Leitung der Produktionsstandorte in Garching, Heidenheim, Salzgitter, Shanghai und York mit etwa 1750 Mitarbeitern verantwortlich. Außerdem umfasst sein Verantwortungsbereich die gesamte Supply Chain der fünf Turbo-Standorte: Produktion, Logistik, Fertigungsplanung und -steuerung sowie strategische Ausrichtung.

Vortrag über Schwerpunkte und Lean Management

In einem beeindruckenden Vortrag erläuterte Herr Krippendorf die Schwerpunkte seines Verantwortungsbereichs in der Voith Group. Der Standort hat eine Fläche von 35.000 m² und beschäftigt 607 Mitarbeiter. Besonders hervorzuheben ist die Ausrichtung auf Arbeitssicherheit. Seit über 1 1/2 Jahren ist das Werk ohne meldepflichtigen Unfall. Sehr akribisch wird auf das Tragen der Schutzbrille im Werk geachtet. Arbeitssicherheit wird als Schlüssel zur Qualität und Produktivität gesehen. 2017 erhielt Voith die Auszeichnung “Fabrik des Jahres” in der Kategorie „Hervorragendes Produktionsnetzwerk” für die Zusammenarbeit als Werksverbund. Das Werk wurde 2020 als „Fabrik des Jahres” in der Kategorie „Standortsicherung durch Digitalisierung” und 2022 als “Fabrik des Jahres” in der Kategorie “Exzellenz in Nachhaltigkeit” ausgezeichnet.
Im Werk Garching werden unter anderem Automatikgetriebe für Stadt- und Linienbusse, die Turbo-Retarder-Kupplung VIAB für verschleißfreies Anfahren und sicheres Bremsen sowie der Voith Retarder gefertigt und Remangetriebe instandgesetzt.

Voith ist heute netto-klimaneutral. So arbeitet man intensiv an der Verbesserung der Energieeffizienz, des Energiebezugs aus erneuerbaren Quellen sowie der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und Kompensation. Große Teile des Wärmebedarfs wurden auf Fernwärme umgestellt, die über Geothermie gespeist wird, Herr Krippendorf erklärte, wie Lean Management bei Voith in Garching von der Vision mit dem Nordstern und dem Commitment bis zur Umsetzung gelebt wird. Über die traditionellen Lean-Prinzipien hinaus hat Voith in Garching in den letzten Jahren verstärkt auf prozessfähige Automatisierung, die intelligente Verkettung und Digitalisierung von Anlagen gesetzt. Prozessfähigkeit steht dabei im Vordergrund.

Werksrundgang und praktische Umsetzung

Während des Fabrikrundgangs konnten sich die Teilnehmer von der praktischen Umsetzung der Lean- und Automatisierungsstrategien überzeugen.

Die Stationen des Rundgangs umfassten:

• Erfolg durch automatisierte Fertigung: Getriebegehäuselinie
• Wettbewerbsfähigkeit durch Effizienz: Planetenträgerfertigung
• Verzahnungstechnologie der Zukunft: Wälzschälen
• Produktinnovation & Kunde: Neue Montagelinie Retarder (HV)
• Wandel zum alternativen Antriebsstrang: E-Mobilität
• Erfolg durch automatisierte Montagelinie: Hydrodamp
• TC Ramp Up: Marktanforderungen meistern von Lieferant bis Kunde
• Nachhaltigkeit durch Servicekonzept: Servicegeschäft

Beobachtungen und Eindrücke

Bemerkenswert waren die hochmotivierten Mitarbeiter, die ihre Aufgaben und Ziele genau kennen. Das Shopfloormanagement ist in den drei Ebenen (Arbeits-, Bereichs- und Werksebene) organisiert und durchgängig digitalisiert. Prozessoptimierer unterstützen die Teams auf der Arbeitsebene bei der Maßnahmengenerierung und -abarbeitung. Leistungsfähige neue Technologien der Verzahnungstechnik werden eingesetzt. In der Instandhaltung arbeitet man sich über Big Data Analysen zur präventiven und prädiktiven Instandhaltung vor. Auffallend ist die umfassende Beschäftigung der Führungskräfte mit den unterschiedlichen technischen Einflussgrößen, der wechselseitigen Beziehungen zwischen den Ergebnissen der unterschiedlichen Produktionsprozesse und Arbeitsschritte und das mit der Zielsetzung der permanenten Verbesserung. Der Teiletransport erfolgt durchgängig über einen Routenzug. Als Besucher haben wir den Eindruck gewonnen, dass das Management weiß, wovon es spricht. Kostendaten sind neben einem hohen Maß an Fachwissen und dem Zusammenwirken unterschiedlicher Einflussgrößen sehr präsent. Verbesserungsschritte werden aus einem ausgewogen hohen Maß an Fach- und organisatorischem Wissen professionell entschieden. Die Tauschgetriebefertigung ermöglicht die kostengünstige Aufbereitung von Getrieben aus dem Feld, was gelebte Kreislaufwirtschaft darstellt.

Fazit
Der Besuch zeigte eindrucksvoll den Weg des Lean Managements und die tiefgehende Prozesskenntnis bei Voith Garching auf. Die Basis ist Lean und Agile – darauf aufbauend wird automatisiert, aber nur dort, wo es sinnvoll und prozessfähig möglich ist. Die Prozessfähigkeit wird in Schritten von den Mitarbeitern erarbeitet. Erst wenn die Prozessfähigkeit der Maschine als erste Stufe erreicht ist, wird der nächste Schritt getan. Digitalisierung und der Einsatz passfähiger Roboter sind Schlüssel zu höherer Produktivität bei hoher Qualität.

 

Die Zukunft liegt in der Nutzung von Big Data zur Identifizierung von Ausfallmustern, die über präventive Instandhaltung hinaus zur prädiktiven Instandhaltung führen, um die Prozessfähigkeit weiter zu steigern. Das Werk folgt konsequent dem Nordstern der Fabrik, und die Projekte sowie größeren Maßnahmen, die aus dem täglichen Doing hervorgehen, werden durch regelmäßige Meetings gesteuert. Was auf Arbeitsebene erledigt werden kann, wird dort erledigt. Optimierer vor Ort unterstützen die Mitarbeiter.

 

Wenn dies nicht zielführend ist, wird über die Bereichsleitung und, falls notwendig, im täglichen Shopfloormanagement auf Werkleiterebene eskaliert.
Ein beeindruckender Besuch, der den Weg des Lean Managements und die Vorteile tiefgehender Prozesskenntnis bei Voith Garching aufzeigt. Er verdeutlichte, wie Voith Garching durch den Einsatz modernster Technologien und ein starkes Engagement für Lean Management und Prozessoptimierung seine führende Position in der Industrie beibehält.

Hermann Doppler

Mitglied des Expertenbeirates bei infpro und Vorstandsmitglied, Vice President, Peter Drucker Society Mannheim e.V.