So sichert Deutschland seine industrielle Substanz
Impulse sind mehr als Schlagworte – sie markieren die Richtung, in der sich ein Industriestandort erneuern muss. Für Deutschland geht es in den kommenden vier Jahren um nichts weniger als die Frage, ob Produktion, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben.
Die Herausforderungen sind offensichtlich: steigende Energiepreise, Fachkräftemangel, digitale Rückstände, eine alternde Infrastruktur und die wachsende Abhängigkeit von geopolitischen Entwicklungen. Ohne Antworten auf diese Fragen verliert die Industrie ihre Substanz.
Genau hier setzt das Institut für Produktionserhaltung (infpro) an. Wir arbeiten mit Unternehmen, Forschung und Politik an sieben Impulsen, die den Unterschied machen: Sie verbinden Strategie mit Umsetzung, Identifikation von Stellhebeln mit konkretem Handeln. Denn nur wenn Impulse in Handlungsfelder übersetzt werden, entsteht Wirkung – und damit die Chance, den Industriestandort Deutschland auch im internationalen Wettbewerb zu behaupten.
Die Uhr tickt
Die jüngsten Zahlen zeigen, wie knapp die Zeit ist: Im Juni sank die Industrieproduktion um 1,5 Prozent, nachdem sie im Mai bereits um 2,1 Prozent gefallen war (Destatis, 7. August 2025). Zwei Rückgänge in Folge gab es zuletzt in den Krisenjahren 2009 und 2020. Während in den USA die industriellen Investitionen im ersten Halbjahr um zwölf Prozent zulegten (BEA, 31. Juli 2025), verheddert sich Deutschland in Verfahrensdebatten. Investoren sehen das sehr genau.

Das infpro magazin DIALOG mit dem Schwerpunkt „Impulse“ erscheint Mitte Oktober.
Die industrielle Transformation erfordert Milliardeninvestitionen in Anlagen, Automatisierung und KI. Da der Staat seine Rolle nur begrenzt erfüllen kann, müssen Banken, Investoren und Unternehmen stärker Verantwortung übernehmen. Risikokapital und Industrie dürfen kein Widerspruch sein – sonst bleibt die Produktion auf halber Strecke stehen.
Ordnungspolitik und Kapital – der Rahmen
Ohne verlässliche Rahmenbedingungen bleiben Technologien stumpf. Energiepreise, die schwanken wie Börsenkurse, und Genehmigungen, die fünf Jahre dauern, sind Standortkiller. In Texas steht ein Werk nach acht Monaten. Handlungsfeld entsteht erst, wenn Genehmigungen digitalisiert und Fristen halbiert werden.
Auch Kapital ist entscheidend. Der amerikanische Inflation Reduction Act zeigt, wie steuerliche Anreize Milliarden mobilisieren. In Deutschland dagegen stocken Förderrunden, bis Projekte ihre Dynamik verlieren. Finanzierung wird erst dann wirksam, wenn Banken, Industrie und Kapitalmärkte gemeinsame Modelle entwickeln, die Risiko und Rendite austarieren.
Europa, Energie, Innovation, Nachhaltigkeit
Industriepolitik endet nicht an Grenzen. Der Green Deal Industrial Plan könnte Europa stärken, doch nationale Alleingänge schwächen. Nur gebündelte Märkte und koordinierte Investitionen schaffen ein Handlungsfeld von globalem Gewicht.
Gleiches gilt für Energie. Ohne Versorgungssicherheit sind alle anderen Maßnahmen Makulatur. Frankreich profitiert von stabiler Kernkraft, die USA von billigem Gas – Deutschland kämpft mit Rekordpreisen.
Und Innovation? Europa hält gerade einmal acht Prozent aller weltweiten KI-Patente, China über 60 Prozent (WIPO, Juni 2025). Forschung ohne Umsetzung bleibt Dekoration. Erst wenn neue Ideen in die Werkshallen gelangen, entsteht Wert.
Nachhaltigkeit schließlich ist kein moralisches Beiwerk, sondern wirtschaftlicher Vorteil. Klimaneutrale Fertigung senkt Kosten, erschließt Märkte und sichert Rohstoffe – aber nur, wenn sie mit Fachkräften, Technologien und Kapital verbunden wird.
Deutschland leidet nicht an unbekannten Problemen. Fachkräftemangel, Bürokratie, hohe Energiepreise – all das ist seit Jahrzehnten bekannt. Die eigentliche Schwäche liegt darin, dass diese Probleme zwar präzise benannt, aber nicht behoben werden.
Ein Standort verliert nicht, weil er seine Probleme nicht kennt – sondern weil er sie kennt und nichts unternimmt.
Jetzt gilt es, Entscheidungsfelder endlich zu Handlungsfeldern zu machen. Binnen drei bis fünf Jahren müssen Ergebnisse sichtbar sein: modernisierte Ausbildungsordnungen, wachsende Fachkräftezahlen, KI-gestützte Werke, zügige Genehmigungen, stabile Energiepreise. Erst dann erfüllt Politik ihren Auftrag – und Deutschland kann wieder industrielles Kernland Europas werden.
Wertschöpfung 2030 heißt: Deutschland und Europa als starke, attraktive und internationale Industriestandorte zu gestalten – für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und den Wohlstand unserer Gesellschaft.

