Warum Deutschland sich selbst im Weg steht.

Milliardenkosten, endlose Genehmigungsverfahren und lähmende Vorschriften – wie Bürokratie Innovationen bremst und unseren Standort schwächt.

 Ein Beitrag von Klaus Weßing.

Deutschland erstickt in Regulierung – und zahlt dafür einen hohen Preis

Deutschland reguliert sich selbst in die Krise. Während andere Länder Verfahren beschleunigen und Genehmigungsprozesse vereinfachen, wuchert hierzulande der Bürokratiedschungel unaufhaltsam weiter. Komplexe Auflagen, endlose Meldepflichten und lähmende Entscheidungswege bremsen die Wirtschaft aus und lassen Investitionen ausbleiben. Die Folge: Unternehmen weichen ins Ausland aus, der Standort Deutschland verliert rapide an Attraktivität.

Bürokratiekosten in Milliardenhöhe – eine Belastung für die Wirtschaft

Laut einer aktuellen ifo-Studie summieren sich die Bürokratiekosten auf bis zu 146 Milliarden Euro jährlich. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) schätzt die direkten Kosten auf rund 65 Milliarden Euro pro Jahr. Die Differenz zur ifo-Berechnung erklärt sich durch indirekte Effekte: entgangene Wachstumschancen, Innovationsbremsen und steigende Verwaltungskosten.

Ein Blick auf die Fakten zeigt, wie gravierend die Belastung ist: Deutschland belegt in einem internationalen Vergleich zur Effizienz der Bürokratie nur Platz 19 von 21 Industrieländern. Unternehmen investieren wertvolle Ressourcen in die Bewältigung regulatorischer Anforderungen, statt in Innovation, Expansion oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet, während der regulatorische Aufwand stetig steigt.

Die wachsende Regulierungslast – eine schleichende Gefahr

Bürokratie entsteht nicht nur durch neue Gesetze, sondern auch durch die fortlaufende Ausweitung von Rechtsverordnungen. Während Gesetze parlamentarisch verabschiedet werden, erlassen Ministerien eine Vielzahl von Verordnungen, die Detailregelungen enthalten. Und genau hier liegt eine der größten Bürokratiefallen:

Zum 1. Januar 2014 gab es laut Bundesregierung 2.720 bundesrechtliche Verordnungen mit 38.192 Einzelnormen. Zehn Jahre später, am 1. Januar 2024, waren es bereits 2.854 Verordnungen mit 44.272 Einzelnormen. Ein Anstieg um 18 Prozent innerhalb einer Dekade.

Das Problem: Diese Vielzahl an Vorschriften wird oft unbemerkt, aber mit weitreichenden Folgen eingeführt. Unternehmen und Bürger sehen sich Jahr für Jahr mit neuen Berichtspflichten, Meldeanforderungen und Genehmigungsprozessen konfrontiert – während alte Vorschriften kaum abgeschafft werden. Das Resultat: Mehr Verwaltungsaufwand, steigende Kosten und längere Entscheidungswege.

Politischer Reformwille allein reicht nicht – es braucht klare Maßnahmen

Seit Jahren fordern Ökonomen und Wirtschaftsverbände einen entschlossenen Bürokratieabbau, um den Standort Deutschland zu stärken. Doch während die Politik in Sonntagsreden beteuert, Bürokratie reduzieren zu wollen, sieht die Realität anders aus. Statt Vereinfachung entsteht ein immer dichteres Netz an Regeln und Vorschriften.

Was muss jetzt passieren? Drei zentrale Hebel sind unumgänglich:

Radikaler Abbau überflüssiger Vorschriften: Nicht jede Regulierung bringt Mehrwert. Unnötige und ineffiziente Vorgaben müssen konsequent gestrichen werden.

Klare Fristen für Behördenentscheidungen: Unternehmen dürfen nicht monatelang auf Genehmigungen warten. Beschleunigte Verfahren und Verbindlichkeit sind essenziell.

Konsequente Digitalisierung der Verwaltung: Automatisierung kann Prozesse deutlich effizienter gestalten und Unternehmen entlasten.

Deutschland steht an einem Scheideweg: Entweder gelingt der Befreiungsschlag aus der Bürokratiefalle, oder der Standort verliert weiter an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Politik den Mut aufbringt, die Strukturen grundlegend zu reformieren – oder ob der Bürokratiedschungel weiter wuchert.

Bürokratiekosten in Deutschland

Die Ermittlung der jährlichen Bürokratiekosten in Deutschland gestaltet sich aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden und Definitionen als komplex. Die verfügbaren Daten variieren je nach Quelle und betrachteter Kostenart. Nachfolgend finden Sie eine Tabelle mit Bitte beachten Sie, dass die Bürokratiekosten je nach Studie und zugrunde liegender Methodik variieren können. Die Daten für 2012 und 2019 stammen aus Schätzungen des Nationalen Normenkontrollrats (NKR), während die Werte für 2022 und 2024 auf neueren Studien und Berichten basieren. Die unterschiedlichen Werte resultieren aus variierenden Definitionen und Erhebungsmethoden der Bürokratiekosten.

 

Die Bürokratiekosten in Deutschland sind in den letzten Jahren stark gestiegen, weil verschiedene Faktoren gleichzeitig gewirkt haben. Hier sind die wichtigsten Gründe:

1. Zunahme regulatorischer Anforderungen
• EU-Vorgaben: Deutschland setzt zahlreiche EU-Richtlinien um, die oft zusätzliche Dokumentations- und Berichtspflichten für Unternehmen und Behörden mit sich bringen.
• Nationale Gesetzesverschärfungen: Neue Gesetze und Verordnungen, insbesondere im Bereich Umwelt, Datenschutz (DSGVO), Lieferkettengesetz und Arbeitsrecht, haben zusätzliche administrative Lasten erzeugt.
2. Steigende Bürokratiebelastung für Unternehmen
• Dokumentationspflichten: Firmen müssen immer mehr Berichtspflichten erfüllen, insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit, Compliance und Digitalisierung.
• Steuer- und Abgabenregeln: Das deutsche Steuerrecht ist eines der komplexesten weltweit. Neue Vorschriften, wie die E-Rechnungspflicht oder erweiterte Prüfstandards, erhöhen den Aufwand.
3. Komplexität staatlicher Förderprogramme
• Subventionen und Fördermittel sind oft mit aufwendigen Antrags- und Nachweisverfahren verbunden. Die Bürokratie bremst die Auszahlung und erfordert auf Unternehmensseite erheblichen Verwaltungsaufwand.
4. Digitalisierung als Kosten- und Zeitfaktor
• Paradoxe Effekte: Während Digitalisierung Bürokratie abbauen soll, hat sie in vielen Bereichen zunächst den Aufwand erhöht, weil Unternehmen und Behörden ihre Prozesse an neue Systeme anpassen müssen.
• Fehlende Standardisierung: Unterschiedliche digitale Schnittstellen und inkompatible Behörden-IT führen dazu, dass Unternehmen Daten mehrfach eingeben müssen.
5. Personalmangel in der Verwaltung
• Verzögerungen und ineffiziente Prozesse entstehen, weil Behörden überlastet und unterbesetzt sind. Dies führt zu längeren Bearbeitungszeiten und zusätzlichen Anforderungen an Antragsteller.
6. Corona-Pandemie & Krisenfolgen
• Während der Pandemie wurden zahlreiche Sonderregelungen, Hilfsprogramme und Kontrollmechanismen eingeführt, die langfristig bestehen blieben.
• Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und der Energiekrise verstärkten sich staatliche Eingriffe in die Wirtschaft (z. B. Preisbremsen, Förderprogramme), was neue Bürokratielasten schuf.
7. Fehlender Bürokratieabbau
• Obwohl immer wieder Bürokratieabbau angekündigt wird, kommt er in der Praxis oft nicht zum Tragen oder wird durch neue Regulierungen überkompensiert.
• Beispiel: Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (2024) bringt zwar vereinzelte Erleichterungen, doch gleichzeitig steigen die Anforderungen in anderen Bereichen.

Fazit: Bürokratie als Standortnachteil
Deutschland leidet unter einer doppelten Entwicklung: Einerseits nimmt die Regulierungsdichte weiter zu, andererseits fehlt eine konsequente Entlastung. Dies bremst die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere für den Mittelstand, und verursacht jährliche Mehrkosten für Unternehmen und Verwaltungen.

 

 

    Effizienz der deutschen Bürokratie

    Die Effizienz einer Bürokratie wird anhand mehrerer quantitativer und qualitativer Kriterien bewertet. Dabei spielen Verwaltungsaufwand, Kosten, Bearbeitungszeiten, Digitalisierung, Regelungsdichte und die Zufriedenheit von Unternehmen und Bürgern eine zentrale Rolle. Hier sind die wichtigsten Bewertungsansätze:

    1. Bürokratiekosten als Anteil am BIP
    • Was wird gemessen?
    o Die gesamten Bürokratiekosten eines Landes im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.
    o In Deutschland belaufen sich die Bürokratiekosten laut ifo Institut auf bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr (ca. 4 % des BIP).
    • Vergleich:
    o Länder mit niedriger Bürokratielast (z. B. Schweiz, Dänemark) haben einen deutlich geringeren Anteil.
    o Deutschland liegt hier über dem OECD-Durchschnitt.

    2. Bearbeitungszeiten für Verwaltungsakte
    • Was wird gemessen?
    o Wie lange dauert es, eine Genehmigung, Steuererklärung oder Unternehmensanmeldung abzuwickeln?
    • Beispiele:
    o Steuererklärung:
     Deutschland: 218 Stunden pro Jahr
     Schweden: 122 Stunden pro Jahr
    o Unternehmensgründung:
     Deutschland: ca. 9 Tage
     Estland: weniger als 24 Stunden (vollständig digital)

    3. Digitalisierung und Automatisierung der Verwaltung
    • Was wird gemessen?
    o Wie stark ist die Verwaltung digitalisiert und wie nutzerfreundlich sind die Online-Dienste?
    • Indikatoren:
    o Anteil der Verwaltungsakte, die vollständig online abgewickelt werden können.
    o Effizienz von digitalen Schnittstellen für Unternehmen (z. B. Steuerportale, digitale Gewerbeanmeldung).
    • Deutschland schneidet hier schlecht ab:
    o Rang 21 von 27 EU-Staaten im Digitalisierungsindex der Verwaltung.
    o Beispiel: Während Estland 99 % der Verwaltungsakte digitalisiert hat, hängen deutsche Behörden oft an Papierformularen und Fax-Kommunikation.

    4. Anzahl und Komplexität der Vorschriften
    • Was wird gemessen?
    o Anzahl der Gesetze, Verordnungen und Dokumentationspflichten für Unternehmen und Bürger.
    • Entwicklung in Deutschland:
    o 2014: 44.216 Einzelvorschriften
    o 2024: 52.155 Einzelvorschriften (+18 % Wachstum)
    • Folge:
    o Immer mehr Melde- und Berichtspflichten (z. B. Lieferkettengesetz, DSGVO), die Bürokratiekosten weiter erhöhen.

    5. Zufriedenheit von Unternehmen und Bürgern
    • Was wird gemessen?
    o Umfragen zu Verwaltungszufriedenheit, Aufwand und wahrgenommener Effizienz.
    • Aktuelle Werte für Deutschland:
    o 74 % der Unternehmen sehen Bürokratie als größte Belastung (DIHK-Umfrage 2024).
    o 40 % der Unternehmen haben Investitionen wegen zu hoher Bürokratie abgelehnt (ifo-Institut).
    o Bürger geben Behörden in Deutschland im Schnitt Note 4,2 (ausreichend) für Effizienz.

    6. Internationale Vergleichsrankings
    • World Bank „Ease of Doing Business“ Index:
    o Deutschland: Rang 22 von 190 Ländern
    o Dänemark: Rang 4 (deutlich effizientere Verwaltung)
    • OECD-Verwaltungseffizienz-Ranking:
    o Deutschland liegt unter dem OECD-Durchschnitt bei Verwaltungsproduktivität und Digitalisierungsgrad.
    • EU Digital Economy and Society Index (DESI):
    o Verwaltungseffizienz Deutschland: Platz 21 von 27 EU-Staaten

    Fazit:
    Deutschland hat hohe Bürokratiekosten, lange Bearbeitungszeiten, eine geringe Digitalisierungsquote und eine überbordende Regulierung. All diese Faktoren führen zu einer niedrigen Verwaltungseffizienz, hohen Kosten für Unternehmen und einem Standortnachteil im internationalen Wettbewerb. Reformen sind dringend nötig, um Bürokratie zu verschlanken, Verwaltungsprozesse zu digitalisieren und Vorschriften zu reduzieren.

    Szenario: Wie Bürokratie den Bau eines Windkraftwerkes in Deutschland blockiert.

    Ausgangssituation:

    Ein mittelständisches Unternehmen, EnergieZukunft GmbH, plant 2025 den Bau eines Windparks mit 10 Windrädern in Deutschland. Ziel ist die Einspeisung von 50 Megawatt erneuerbarer Energie in das Stromnetz, um einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

    Phase 1: Antragstellung und Genehmigungsprozess (Dauer: 6-8 Jahre!)

    1. Standortprüfung & Umweltgutachten (1,5 Jahre)
    • Unternehmen muss zahlreiche Gutachten erstellen:
      • Artenschutz (Vögel, Fledermäuse)
      • Bodengutachten
      • Lärmberechnungen
      • Schattenwurf-Analyse
    • Einreichung bei Bundesamt für Naturschutz (BfN), Umweltministerium und Landesbehörden
    • Kosten: 300.000 € für Gutachten & externe Berater
    • Erste Verzögerung: Widersprüche von Naturschutzverbänden
    1. Bau- und Betriebsgenehmigung (2-3 Jahre)
    • Antragstellung beim zuständigen Bauamt & Umweltministerium
    • Behörden fordern Nachbesserungen der Gutachten (Kosten: 150.000 €)
    • Einholung von 15 Genehmigungen:
      • Bundesnetzagentur
      • Denkmalschutz
      • Luftfahrtbundesamt (wegen Radaranlagen)
      • Wasserbehörde (Grundwasserschutz)
      • Brandschutzbehörde
    • Ein Anwohner legt Widerspruch ein → Verfahren ruht 6 Monate
    1. Klagewelle & Gerichtliche Verfahren (3-4 Jahre)
    • Naturschutzverbände & Anwohner klagen wegen befürchteter Umweltbeeinträchtigungen
    • Unternehmen muss weitere Gutachten (Kosten: 250.000 €) vorlegen
    • Verwaltungsgericht stoppt das Projekt für 1,5 Jahre
    • Endgültige Genehmigung nach insgesamt 7,5 Jahren

    Phase 2: Bau und Inbetriebnahme (Dauer: 1-2 Jahre)

    1. Bauphase verzögert sich wegen Bürokratie (1 Jahr)
    • Netzanschluss dauert länger als geplant, weil der Netzbetreiber zusätzliche Nachweise fordert
    • Neuer Antrag für Baustellenzufahrt erforderlich (Bearbeitungszeit: 6 Monate)
    • Kostensteigerung durch Inflation und Bauverzögerung: +2 Millionen €

    Gesamtkosten für das Unternehmen durch Bürokratie:

    Kostenfaktor Betrag (€)
    Umwelt- und Artenschutzgutachten 300.000 €
    Nachbesserungen für Behörden 150.000 €
    Anwalts- und Gerichtskosten 250.000 €
    Verzögerungskosten & Inflation 2.000.000 €
    Zusatzkosten für erneute Anträge & Behördenauflagen 500.000 €
    Gesamtkosten durch Bürokratie 3,2 Millionen €

    Verzögerung: Gesamtzeit von Antrag bis Betriebsstart: 8-10 Jahre

    Vergleich: Bürokratiekosten in Deutschland vs. andere Länder

    Land Durchschnittliche Genehmigungszeit für Windkraftanlagen
    Deutschland 8-10 Jahre
    Dänemark 2 Jahre
    Frankreich 3-4 Jahre
    Niederlande 2-3 Jahre

    Fazit:

    • Während ein Unternehmen in Dänemark nach 2 Jahren mit der Einspeisung ins Stromnetz beginnt, wartet ein deutsches Unternehmen fast ein Jahrzehnt auf Genehmigungen.
    • In dieser Zeit sind Technologie und Marktsituation oft überholt, die Finanzierung verteuert sich drastisch.
    • Lösung: Schnellere Verfahren durch digitale Genehmigungen, verbindliche Fristen und weniger redundante Prüfungen.
    Wer ist verantwortlich für die hohen Bürokratiekosten in Deutschland?

     

    Die Bürokratiekosten in Deutschland sind nicht das Ergebnis eines einzelnen Akteurs, sondern das Produkt eines komplexen Systems aus Politik, Verwaltung, EU-Vorgaben und gesellschaftlichen Erwartungen. Die Hauptverantwortlichen lassen sich jedoch klar benennen:

    1. Der Gesetzgeber: Bundesregierung und Bundestag
    • Jedes neue Gesetz bringt neue Bürokratie – sei es durch zusätzliche Dokumentationspflichten, Meldeanforderungen oder Auflagen für Unternehmen.
    • Die Bundesregierung setzt häufig auf Regulierung statt Vereinfachung, da dies als politische Lösung einfacher ist als echte Reformen.
    • Koalitionszwänge blockieren Bürokratieabbau: Oft sind es parteipolitische Interessen, die verhindern, dass überflüssige Vorschriften abgeschafft werden.
    Beispiel:
    • Das Lieferkettengesetz zwingt Unternehmen zu umfassender Dokumentation, selbst wenn Lieferanten bereits nach anderen Standards zertifiziert sind.
    • Trotz Kritik der Wirtschaft wurde das Gesetz nicht entschlackt, sondern durch neue EU-Vorgaben sogar noch verschärft.

    2. Behörden und Ministerien: Bürokratie als Selbstzweck
    • Ministerien und Behörden erschweren sich gegenseitig die Arbeit, weil sie an ineffizienten Verfahren festhalten.
    • Die Verwaltung hat kein Interesse an Bürokratieabbau, weil jeder neue Prozess mehr Mitarbeiter und Budgets rechtfertigt.
    • Beamte und Sachbearbeiter müssen sich an die Gesetze halten – oft bleibt ihnen keine Wahl, als Regeln streng auszulegen.
    Beispiel:
    • In vielen Genehmigungsprozessen verlangen verschiedene Behörden dieselben Daten, da es keinen zentralen Datenaustausch gibt.
    • Ein Unternehmen kann 15 verschiedene Genehmigungen für ein Infrastrukturprojekt benötigen – jede mit einer eigenen Frist, einem eigenen Formular und separaten Gutachten.

    3. Die EU: Regelungsflut und überstrenge Umsetzung in Deutschland
    • Die EU erlässt zahlreiche Richtlinien, die die Mitgliedstaaten umsetzen müssen.
    • Während andere Länder pragmatisch mit EU-Vorgaben umgehen, setzt Deutschland sie oft überstrikt um (sog. „Gold Plating“) und verschärft Regeln zusätzlich.
    Beispiel:
    • Die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) wurde in Deutschland strenger umgesetzt als in vielen anderen EU-Staaten.
    • Während Frankreich und die Niederlande Ausnahmen für kleine Unternehmen einführten, müssen deutsche Betriebe umfangreiche Dokumentationspflichten erfüllen.

    4. Gerichte und Verbände: Klagewelle gegen alles Neue
    • Durch zunehmende Klagen von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und Interessenorganisationen verzögert sich praktisch jedes große Bauprojekt.
    • Unternehmen und Behörden müssen sich durch jahrelange Gerichtsverfahren kämpfen, bevor sie Projekte realisieren können.
    Beispiel:
    • Beim Bau von Windparks können einzelne Klagen den Prozess um mehrere Jahre verzögern.
    • Gerichte entscheiden oft zugunsten der Kläger, wodurch Behörden zusätzliche Gutachten und Nachweise verlangen müssen.

    5. Die Gesellschaft: Hohe Erwartungen an Regulierung
    • Bürokratie entsteht auch, weil die Gesellschaft nach immer neuen Regeln und Sicherheitsstandards ruft.
    • Jede Krise führt zu neuen Vorschriften: Pandemie? Mehr Berichtspflichten für Gesundheitsämter. Energiekrise? Komplexe Regelungen zur Energiepreisbremse.
    Beispiel:
    • Viele fordern weniger Bürokratie – aber gleichzeitig mehr Verbraucherschutz, mehr Umweltstandards und mehr staatliche Kontrolle.
    • Politiker reagieren darauf mit neuen Gesetzen, die Unternehmen verpflichten, zusätzliche Nachweise zu liefern.

    Fazit: Die Schuld liegt nicht nur bei der Politik – sondern im gesamten System
    • Politiker machen Gesetze, die Bürokratie schaffen.
    • Behörden setzen sie kompliziert um, oft ohne digitale Prozesse.
    • Die EU gibt Regeln vor, die Deutschland überstrikt umsetzt.
    • Gerichte und Klagen bremsen Projekte aus.
    • Die Gesellschaft fordert immer neue Regulierung, aber will Bürokratie abbauen.
    Das System hat sich über Jahrzehnte verselbstständigt – und nur ein radikaler Wandel kann Bürokratie in Deutschland wirklich abbauen.

    Deutschland braucht den Befreiungsschlag – Bürokratieabbau als Standortfaktor

    Der Produktionsstandort Deutschland steckt in einem Netz aus Regulierung und Verwaltungsaufwand, das Unternehmen zunehmend in die Enge treibt. Seit Jahren verspricht die Politik Entlastung, doch statt echter Reformen wächst der Bürokratieapparat weiter. Das Institut für Produktionserhaltung, das sich seit Jahren für den Abbau bürokratischer Hürden engagiert, fordert deshalb ein radikales Umdenken: Nicht mehr kleine Korrekturen, sondern ein grundlegender Abbau überflüssiger Vorschriften ist nötig, um den Wirtschaftsstandort wieder wettbewerbsfähig zu machen.

    Im Zentrum steht die Digitalisierung der Verwaltung. Unternehmen sollen nicht länger gezwungen sein, dieselben Daten immer wieder an verschiedene Behörden zu übermitteln. Ein bundesweit einheitliches System für Meldungen und Genehmigungen könnte den Prozess beschleunigen, während verbindliche Fristen sicherstellen, dass Entscheidungen nicht endlos aufgeschoben werden. Ein Beispiel: Werks- oder Baugenehmigungen sollten innerhalb von sechs Monaten erteilt oder automatisch genehmigt werden, falls keine Einwände vorliegen.

    Doch es geht nicht nur um Prozesse – auch das Steuerrecht muss entrümpelt werden. Kleine und mittlere Unternehmen ersticken an einer Flut von Formularen und Nachweispflichten, die oft wenig Mehrwert bringen. Eine drastische Vereinfachung der Unternehmenssteuererklärung, klare Standards für die E-Rechnung und der Abbau steuerlicher Sonderregelungen könnten hier spürbare Entlastung bringen.

    Gleichzeitig steht die Arbeitswelt vor neuen Herausforderungen. Starre Regelungen zur Arbeitszeiterfassung passen nicht mehr zu modernen, flexiblen Arbeitsmodellen. Deutschland riskiert, den Anschluss an globale Entwicklungen zu verlieren, wenn Fachkräfte durch langwierige Einwanderungsverfahren abgeschreckt werden. Auch hier ist ein radikaler Wandel gefragt: Weniger bürokratische Hürden, ein digitales Anerkennungsverfahren und eine echte Beschleunigung der Einwanderung könnten dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

    Nicht zuletzt steht die Umwelt- und Produktionsgesetzgebung auf dem Prüfstand. Während Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen bleibt, darf sie nicht zu einem bürokratischen Hindernislauf verkommen. Ein automatisierter Austausch von Unternehmensdaten zwischen Ministerien, die Anerkennung bereits bestehender Umweltgutachten aus anderen EU-Staaten und vereinfachte Berichtspflichten für kleinere Unternehmen könnten für pragmatische Lösungen sorgen.

    All das kann aber nur funktionieren, wenn Bürokratieabbau zur verbindlichen Aufgabe wird. Eine Bürokratiebremse, die sicherstellt, dass jede neue Regel eine alte ersetzt, sowie automatische Ablaufklauseln für Gesetze, die sich in der Praxis nicht bewähren, könnten verhindern, dass Deutschland immer tiefer im Regulierungsdschungel versinkt.

    Die deutsche Wirtschaft braucht jetzt nicht mehr Absichtserklärungen, sondern mutige Entscheidungen. Wenn es nicht gelingt, den Verwaltungsaufwand nachhaltig zu reduzieren, droht Deutschland weiter an Attraktivität zu verlieren – mit allen Konsequenzen für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze. Die Zeit für halbherzige Maßnahmen ist vorbei. Jetzt ist der Moment für einen echten Befreiungsschlag.

     

    Bürokratieabbau als Schlüssel für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit

    Deutschland steht an einem entscheidenden Punkt: Die Bürokratie lähmt Unternehmen, behindert Innovationen und kostet jährlich Milliarden. Trotz zahlreicher Ankündigungen bleibt der Bürokratieabbau Stückwerk – ein Problem, das unseren Standort im internationalen Vergleich zunehmend unattraktiv macht. Deshalb fordern wir als Institut für Produktionserhaltung  die nächste Bundesregierung auf, hier sofort zu Handeln, um Unternehmen und Investitionen nicht weiter abzuschrecken.

    Was eine neue Regierung sofort umsetzen muss:

    1. Radikale Beschleunigung von Genehmigungen

        • Eine verbindliche Maximalfrist von sechs Monaten für Industrie-, Infrastruktur- und Bauprojekte.
        • Automatische Genehmigung („Genehmigungsfiktion“), wenn Fristen überschritten werden.

    2. Bürokratiebremse mit klaren Regeln

        • Für jede neue Vorschrift muss eine alte gestrichen werden („One in, one out“-Prinzip).
        • Einführung einer jährlichen Reduktionsquote für Bürokratiekosten (z. B. 25 % weniger innerhalb von vier Jahren).

    3. Steuer- und Meldepflichten vereinfachen

        • Unternehmenssteuererklärung auf maximal 30 Seiten begrenzen.
        • Ein zentrales digitales Unternehmensportal für alle steuerlichen und administrativen Meldungen.

    4. Arbeitsrecht und Fachkräftezuwanderung pragmatisch gestalten

        • Arbeitszeit- und Dokumentationspflichten flexibilisieren, insbesondere für KMU.
        • Einheitliche digitale Plattform für schnelle Anerkennung ausländischer Fachkräfte.

    5. Behörden effizienter machen – Digitalisierung mit echtem Nutzen

        • Einmalprinzip: Unternehmen und Bürger sollen Daten nur einmal an Behörden übermitteln müssen.
        • Verpflichtende Verschlankung von Verwaltungsvorgängen durch KI-gestützte Prozesse.

    Auf wen es jetzt ankommt:

    Der Erfolg dieser Maßnahmen hängt von drei Akteursgruppen ab:

        • Politische Entscheider: Sie müssen den Mut haben, verkrustete Strukturen aufzubrechen, statt neue Regelungen aufzubauen. Eine neue Regierung darf nicht in den alten Reflex verfallen, jeden Bereich noch stärker zu regulieren.
        • Unternehmen & Wirtschaftsverbände: Sie müssen lauter werden. Es reicht nicht, sich über Bürokratie zu beklagen – sie müssen geschlossen konkrete Forderungen stellen und den politischen Druck erhöhen.
        • Bürger & Gesellschaft: Die Akzeptanz für Bürokratieabbau muss steigen. Weniger Bürokratie bedeutet nicht weniger Sicherheit oder Umweltschutz, sondern effizientere und klarere Prozesse.

    Deutschland hat keine Zeit mehr für Symbolpolitik oder kleine Nachbesserungen. Jetzt braucht es mutige Entscheidungen und klare Umsetzung – alles andere gefährdet unseren Wohlstand.

    Bilder:  Erstellt mit (c) DALL-E von OpenAI.

    Klaus Weßing

    Vorstandsvorsitzender des Instituts für Produktionserhaltung e.V.

     

     

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    klaus.wessing@infrpo.org