Wie die Krise gemeistert werden kann.

 Ein Beitrag von Klaus Weßing.

Deutschland steht vor einer seiner größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Nach den jüngsten Bundestagswahlen herrscht eine selten dagewesene politische und wirtschaftliche Instabilität. Der Schock geht weit über die Wahlergebnisse hinaus – auch die Wirtschaft sendet dramatische Signale. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik denkt Volkswagen über Werksschließungen nach, ein klares Warnzeichen für den Industriestandort Deutschland.

VW-CEO Oliver Blume äußerte sich erstmals bei einer Führungskräftetagung Anfang September dazu. Konzern-Finanzvorstand Antlitz sagte bei der Betriebsversammlung laut Redemanuskript: „Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“ Aufgrund rückläufiger Absätze und schleppender Fortschritte bei der Umstellung auf Elektroautos erwägt der Konzern die Schließung von mindestens eines Werkes.

Der Autobauer muss den Gürtel noch enger schnallen, laut Unternehmensquellen geht es um bis zu 4 Mrd. Euro, die zusätzlich eingespart werden müssen. Dafür stehen nun auch ein deutsches Werk und die Beschäftigungssicherung auf der Kippe. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen“, so der Finanzvorstand. „Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!“

Parallel dazu warnt der Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing, vor einem drohenden wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands und politischer Instabilität. Beim Banken-Gipfel betonte er, dass das Land dringend tiefgreifende Reformen brauche, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Insbesondere die Produktivität und Innovationskraft müssten gestärkt werden. Sewing sieht in den jüngsten Wahlergebnissen eine Bedrohung für die politische Stabilität und die Attraktivität Deutschlands für Investoren. Die zunehmenden Zweifel an Deutschlands Reform- und Arbeitsfähigkeit könnten, so Sewing, das Vertrauen der Wirtschaft weiter untergraben.

Laut Sewing müsse Deutschland wieder wettbewerbsfähiger werden und größere Anstrengungen auch in Sachen Arbeitszeit und Reformen unternehmen. So müssten die Deutschen z.B. mehr arbeiten. „Mit durchschnittlich 26 Stunden pro Woche und einer Rente mit 63 werden wir es nicht schaffen,“ zitiert ihn das Handelsblatt. Die Reaktionen aus Wirtschaft und Politik auf die Vorschläge des Chefs der deutschen Bank fallen gemischt aus. Viele Wirtschaftsvertreter teilen Sewings Sorgen, da steigende Kosten, Bürokratie und Energiepreise die Attraktivität Deutschlands gefährden. Während einige Sewings Forderung nach Reformen unterstützen, warnen andere davor, soziale Sicherheit zu vernachlässigen und Debatten nur auf längere Arbeitszeiten und Rentenreformen zu fokussieren.

Für mich ist es eindeutig: Deutschland steht vor tiefgreifenden Herausforderungen, die jetzt entschlossen angegangen werden müssen. Es braucht einen klaren Blick auf die tiefgreifenden strukturellen Probleme, die das Land belasten, und fünf zentrale Punkte, die jetzt in den Mittelpunkt der Diskussion rücken müssen:

1. Standortpolitik und Wettbewerbsfähigkeit: Wie bleibt Deutschland ein attraktiver Produktionsstandort, wenn selbst traditionsreiche Unternehmen wie VW Abwanderung in Betracht ziehen?
2. Energiekrise und Kostenexplosion: Wie kann die Industrie auf verlässliche und bezahlbare Energiequellen zählen, während Energiepreise durch die Decke schießen?
3. Fachkräftemangel und Bildung: Der Fachkräftemangel lähmt die Wirtschaft – wie kann Deutschland sein Bildungssystem reformieren und zukunftsfähig gestalten?
4. Innovations- und Investitionspolitik: Wie schaffen wir die Transformation zur grünen und digitalen Wirtschaft ohne weitere Deindustrialisierung?
5. Vertrauen in die Politik: Wie kann die neue Regierung das Vertrauen der Bevölkerung und der Wirtschaft zurückgewinnen, während die politische Landschaft immer stärker fragmentiert?

Diese Fragen müssen jetzt im Mittelpunkt stehen. Deutschland kann sich keine politischen Nebenschauplätze mehr leisten – es geht um nicht weniger als die Zukunft des Landes.

Die von der Ampel-Koalition beschlossenen Maßnahmen – wie das Wachstumschancengesetz, die Bürokratieentlastung und die Investitionen in die Infrastruktur – sind sicherlich Schritte in die richtige Richtung, lösen jedoch nicht vollständig die Probleme, die Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing beschreibt. Seine zentralen Punkte betreffen tieferliegende strukturelle Defizite, die die deutsche Wirtschaft betreffen, insbesondere die Themen Produktivität, Arbeitsmoral und die Fähigkeit zu tiefgreifenden Reformen.

Die beschlossenen Maßnahmen der Regierung sind zwar wichtig, aber sie bieten eher punktuelle und kurzfristige Entlastungen. Um die von Sewing geforderten strukturellen Herausforderungen anzugehen, braucht es weitergehende Reformen in den Bereichen Arbeitsmarktflexibilität, Bildung und Digitalisierung. Vor allem die Forderung nach mehr Arbeit und längeren Lebensarbeitszeiten wird in der aktuellen politischen Diskussion kaum aufgegriffen.

Kurz gesagt: Die Maßnahmen der Ampel lindern einige Symptome, doch die grundlegenden Probleme wie politische Instabilität und fehlende langfristige Reformbereitschaft, die Sewing kritisiert, bleiben weitgehend unbehandelt Angesichts der Herausforderungen, vor denen deutsche Unternehmen stehen, wird es immer wichtiger, sich intensiv mit Produktionsprozessen, Effizienzsteigerungen und Anpassungen an neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.

Das Institut für Produktionserhaltung bietet hier die Plattform für einen fundierten Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, um praxisnahe Lösungen zu erarbeiten.

Bild: erstellt mit (c) DALL-E von OpenAI.

Klaus Weßing

Vorstandsvorsitzender des Instituts für Produktionserhaltung e.V.

 

 

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klaus.wessing@infrpo.org